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Die Pandemie hat den Stress für Hochqualifizierte reduziert

Hannah Klaas, Ursina Kuhn
16th Juli 2021

In der 26. Ausgabe der Zeitschrift Social Change in Switzerland untersuchen Hannah Klaas und ihre Co-Autor-inn-en die Entwicklung des Stressniveaus in der Schweiz zwischen 2016 und 2021. Die Forscher-innen zeigen, dass der Stress der Bevölkerung während des Lockdowns im Frühjahr 2020 signifikant abnahm, allerdings nur bei Führungskräften und Personen mit Hochschulabschluss. Eine positive Lehre aus der Pandemie wäre es, die berufliche Flexibilität beizubehalten und so den Stress dauerhaft zu reduzieren.

Social Change in Switzerland

Die Forscher-innen von FORS, dem Schweizer Kompetenzzentrum Sozialwissenschaften, analysierten fast 45’000 Antworten zum Stress aus dem Schweizer Haushalt-Panel. Ein Viertel der Bevölkerung gibt an, sich oft oder sehr oft gestresst zu fühlen, während 15% sich nie gestresst fühlen. Das Stressniveau ist bei jungen Erwachsenen höher als bei Menschen zwischen 36 und 64 Jahren und vor allem als bei Rentnern, die den geringsten Stresspegel aufweisen. Darüber hinaus fühlen sich Frauen und Personen mit Hochschulbildung häufiger gestresst als Männer und Personen mit einem niedrigeren Bildungsniveau.

Zwischen 2016 und 2019 stieg der Anteil der Personen, die oft unter Stress leiden, kontinuierlich. In der ersten COVID-Welle im Frühjahr 2020 sank der Stresspegel jedoch. Die Pandemie reduzierte insbesondere den Stress von Vielbeschäftigten und Personen mit tertiärer Bildung, während das Stressniveau von niedrig qualifizierten Personen unverändert blieb. Dieser Unterschied erklärt sich durch die Zunahme des Home Office: Während der Pandemie profitierten 71% der Personen mit tertiärem Bildungsabschluss davon, aber nur 26% jener mit niedriger Bildung.

Die Autor-inn-en zeigen, dass während der ersten Welle auch eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie zur Stressreduktion von höher ausgebildeten Personen beigetragen hat, insofern sie wirtschaftlich abgesichert waren. Gut ausgebildete Personen sahen ihr Berufs- und Privatleben entschleunigt und gewannen durch Telearbeit an Flexibilität. Dieser Effekt war jedoch nur vorübergehend, und der Stresspegel steigt 2021 wieder an. Die Autoren plädieren dafür, dass die positiven Aspekte der Pandemie - grössere Arbeitsflexibilität und eine bessere Work-Life-Balance - auf die Zeit nach der Pandemie übertragen werden, um Stress dauerhaft zu reduzieren.


Referenz:

  • H. S. Klaas, U. Kuhn, J.-E. Refle, M. Voorpostel, V.-A. Ryser, N. Dasoki & R. Tillmann (2021). Die Entwicklung von Stress in der Schweiz – die erste Welle der Pandemie verschafft gestressten Menschen eine Pause. Social Change in Switzerland, N°26, www.socialchangeswitzerland.ch

 

Bild: Kamboopics (Karolina Grabowska)