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Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die Karriere von Nachwuchsforschenden

Barbara Zimmermann, Janine Lüthi, Janine Widmer, Andrea Erzinger
7th April 2021

Die Pandemie hat die Arbeitsroutine von Forschenden auf der ganzen Welt durcheinander gebracht. Forscherinnen und Forscher die am Anfang ihrer Karriere stehen, sind davon besonders betroffen, da zu diesem Zeitpunkt internationale Mobilität und Vernetzung von entscheidender Bedeutung sind. Wie haben sich die ersten Monate der Pandemie auf ihre Arbeit ausgewirkt und wie schätzen sie die Folgen für ihre zukünftige Karriere ein?

Dieser Blogbeitrag wurde erstmals auf dem Blog des nccr – on the move publiziert (25.3.2021)

«Home-Office» rund um den Globus

Die Umfrageteilnehmenden wurden gefragt, wie oft sie vor der Einführung der COVID-19- Maßnahmen, im Frühjahr 2020 sowie zum Zeitpunkt der Befragung von zu Hause aus gearbeitet haben. Bevor Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus in Kraft gesetzt wurden, hatten die Forscherinnen und Forscher selten von zu Hause aus gearbeitet. Im Frühjahr 2020, als mehr oder weniger strenge Maßnahmen eingeführt wurden (je nachdem, wo die Befragten lebten), arbeitete die Mehrheit der Befragten von zu Hause aus. Dies gilt für Europa und Nordamerika (siehe Abbildung 1). Im Oktober 2020 arbeiteten die Menschen im Durchschnitt etwas seltener im Home-Office als im Frühjahr. Was die Regionen betrifft, ist das Bild etwas differenzierter: In der Schweiz kehrten die Forschende häufiger in ihr Büro zurück als im Durchschnitt der übrigen Europäerinnen und Europäer und Nordamerikanerinnen und Nordamerikaner.

Abbildung 1: Arbeit von zu Hause aus
Eltern arbeiteten weniger und zu anderen Zeiten

Die Umfrageteilnehmenden berichteten außerdem, ob sich ihre tatsächliche Arbeitszeit im Frühjahr 2020, als die Maßnahmen gegen COVID-19 eingeführt wurden, im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie verändert hat. Im Durchschnitt änderte sich der Zeitaufwand für die Arbeit nicht wesentlich. Während jedoch Befragte, die keine Kinder haben, etwa gleich viel arbeiteten wie zuvor, arbeiteten jene mit Kindern weniger als zuvor (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2: Veränderung der Ist-Arbeitszeit

Die Teilnehmenden wurden ebenfalls nach potenziellen Änderungen ihrer Arbeitspläne gefragt (Mehrfachnennungen waren möglich). Tatsächlich gab etwa die Hälfte an, dass sie häufiger am frühen Morgen und/oder am späten Abend arbeiten. Darüber hinaus gab ein Drittel an, häufiger am Wochenende und/oder in den Ferien zu arbeiten. Zudem ist ein Zusammenhang zwischen der Verschiebung der Arbeitszeiten und dem Elternsein zu beobachten. Tatsächlich gaben mehr als sechzig Prozent der Teilnehmenden mit Kindern an, ihre Arbeit auf morgens und/oder abends zu verlagern, dies taten aber nur die Hälfte der Teilnehmenden ohne Kinder. Ebenso verschoben Eltern ihre Arbeitszeit etwas häufiger auf Wochenenden und/oder Feiertage als Personen ohne Kinder (siehe Abbildung 3).

Abbildung 3: Änderung des Arbeitsplans

Verminderte Arbeitsproduktivität

Auf die Frage nach Veränderungen in ihrer Arbeitsproduktivität gaben sowohl Männer als auch Frauen an, dass ihre Produktivität im Frühjahr, als die Maßnahmen eingeführt wurden, etwas eingeschränkt war. Unser multivariates Modell zeigt, dass Unterschiede in der selbst eingeschätzten Arbeitsproduktivität eindeutig mit den Veränderungen der Arbeitszeit zusammenhingen. Personen, die sich aufgrund von Betreuungsaufgaben extra freinehmen mussten, erlebten einen Rückgang der Arbeitsproduktivität, während eine Erhöhung der Arbeitszeit zu einem signifikanten Anstieg der Produktivität führte. Außerdem war Home-Office mit einem leichten Rückgang der selbstberichteten Produktivität verbunden. In Bezug auf die Regionen stellen wir fest, dass in der Schweiz arbeitende Forschende im Vergleich zu Forschenden im Ausland im Durchschnitt eine höhere Produktivität angeben. Dies könnte auf bessere Bedingungen fürs Home-Office zurückzuführen sein, zum Beispiel in Bezug auf die Infrastruktur. Das Ergebnis könnte aber auch ein Artefakt sein, da die Mehrheit der Forschenden, die sich zu dem Zeitpunkt in der Schweiz befanden, zur jüngsten Kohorte gehört. Sie waren zu Beginn der Pandemie gerade dabei, ihren Förderantrag vorzubereiten, und befanden sich daher in einer anderen Situation. Diejenigen, die zu den früheren Kohorten gehören, hatten sich in den Jahren zuvor beworben und ein Teil von ihnen hatte vom SNF eine Förderung erhalten und verfügte zu diesem Zeitpunkt über ein laufendes Mobilitätsstipendium im Ausland (siehe Abbildung 4).

Abbildung 4: Veränderung der Arbeitsproduktivität

Negative Karriereaussichten

Insgesamt erwarteten die befragten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass sich die COVID-19-Maßnahmen eher negativ auf ihre zukünftige Karriere auswirken würden. Dies ist zumindest teilweise darauf zurückzuführen, dass sie verschiedene Einschränkungen in ihrer Forschungstätigkeit erlebten, insbesondere auch in Bezug auf die Mobilität. Viele gaben an, dass Konferenzen und Forschungsaufenthalte verschoben oder gestrichen wurden. Außerdem wurden die Forschungsprojekte verzögert oder unterbrochen, und Labore wurden geschlossen. Personen, die berichteten, dass Konferenzen abgesagt wurden, die weniger als geplant publizierten, deren Labor geschlossen wurde, und Personen, die Projektantragsfristen verpassten, bewerteten die Auswirkungen auf ihre Karriere negativer als diejenigen, die von diesen Einschränkungen weniger betroffen waren. Darüber hinaus machen sich Forschende in Nordamerika mehr Sorgen um ihre zukünftige Karriere als ihre Kollegen in Europa (einschließlich der Schweiz). Schließlich bewerten Teilnehmende, die in der Biologie oder Medizin arbeiten, sowie diejenigen, die mit der Forschung an COVID-19 begonnen haben (in verschiedenen Disziplinen), ihre zukünftigen Karriereaussichten etwas weniger negativ als der Rest der Teilnehmende (siehe Abbildung 5).

Abbildung 5: Auswirkungen der eingeschränkten Forschungstätigkeit auf die zukünftige Karriere

Auswirkungen der Pandemie

Die COVID-19-Pandemie hat sich deutlich auf den Alltag von Forschenden rund um den Globus ausgewirkt. Wie unsere Befragungen zeigen, waren viele von ihnen von diversen Einschränkungen betroffen, wie z. B. geschlossene Labore oder abgesagte Konferenzen. Dies hat Auswirkungen auf die selbst eingeschätzte Arbeitsproduktivität und die erwarteten Karriereaussichten. Die Pandemie verdüstert die Karrierehoffnungen unserer Befragten. Da sie alle Antragsteller für Postdoc-Mobilitätsstipendien des SNF sind, sollten sie die Welt bereisen und ihren Forschungshorizont erweitern. Stattdessen werden sie von der aktuellen Pandemie zu einem kritischen Zeitpunkt in ihrer Karriere getroffen. Da das CTC-Projekt eine Längsschnittstudie ist, hoffen wir, in einigen Jahren zeigen zu können, ob diese Pandemie ein kurzfristiger Schock für die Karrieren der Forschenden ist oder ob sie längerfristige Auswirkungen hat.

Daten und Methode
Im Rahmen der vom Schweizerischen Nationalfonds SNF geförderten Career Tracker Cohorts (CTC)-Studie haben wir im Herbst 2020 Forschende auf Postdoc-Ebene befragt. Insgesamt nahmen 765 Personen an den Befragungen teil, die sich 2018, 2019 oder 2020 für ein Postdoc-Mobilitätsstipendium des SNF beworben hatten. Die Stichprobe umfasst Forschende aus allen Disziplinen und von Forschungsstandorten aus der ganzen Welt. Es ist keine Überraschung, dass fast alle Umfrageteilnehmenden berichteten, dass im Frühjahr 2020 an ihrem Wohnort Maßnahmen zur Bekämpfung von COVID-19 ergriffen wurden. Wir waren daran interessiert, mehr über mögliche Veränderungen in ihren Arbeitsabläufen, Auswirkungen auf ihre Forschung und ihre eigene Einschätzung der Auswirkungen der Pandemie auf ihre Karriere zu erfahren. Die Ergebnisse in diesem Artikel beziehen sich hauptsächlich auf das Frühjahr 2020, während die Befragungen im Herbst 2020 stattfanden.


Projektwebsite und Team: https://careertrackercohorts.ch/

Bild: pixabay.com