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Digitalpolitik und Parteienwettbewerb in Zeiten von Covid-19

Markus B. Siewert, Pascal D. König
10th März 2021

Wie gehen Parteien mit digitalpolitischen Themen um, insbesondere im Zuge der Covid-19-Pandemie? Ein Blick auf die Landtagswahlen 2021 in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz offenbart einen klaren Bedeutungszuwachs sowie deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Parteien.

Ausweitung des digitalen Bildungsangebots, Ausbau von digitalen Infrastrukturen, Kontaktverfolgung mittels Apps oder das Recht auf Homeoffice – mit der Covid-19-Pandemie hat die digitale Transformation von Gesellschaft, Wirtschaft und Staat nochmal einen Schub in der öffentlichen Wahrnehmung bekommen. Wie unsere bisherigen Forschungen zeigen (König 2018; König & Wenzelburger 2019; Siewert & König 2019, 2021), greifen auch politische Parteien zunehmend digitalpolitische Themen in ihren Wahlprogrammen auf. Dabei ist vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie, aber auch Entwicklungen im Bereich künstliche Intelligenz und Automatisierung zu erwarten, dass Digitalpolitik bei den Parteien in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnt.

Die Landtagswahlen in Baden-Württemberg (BaWü) und Rheinland-Pfalz (RP) am 14. März 2021 erlauben uns, ein erstes Schlaglicht auf den Umgang von Parteien mit digitalpolitischen Themen nach bzw. im Zuge der Covid-19-Pandemie zu werfen. Drei zentrale Befunde lassen sich hervorheben: 

Erstens nimmt die Salienz von digitalpolitischen Themen beträchtlich zu, wobei sich klare Unterschiede zwischen den Parteien abzeichnen. Zweitens wird deutlich, dass ähnliche Themenfelder die digitalpolitische Agenda der Parteien bei beiden betrachteten Wahlen bestimmen. Drittens finden wir auch innerhalb der jeweiligen Themenfelder Differenzen zwischen den Parteien im Hinblick darauf, wie stark diese bestimmte Themen besetzen.    

Salienz von digitalpolitischen Themen in den Landtagswahlprogrammen

Für die Landtagswahlen in BaWü und RP zeigt sich ein starker Anstieg der Bedeutung digitalpolitischer Themen in den Wahlprogrammen. In beiden Ländern hat sich der Anteil der Sätze mit digitalpolitischem Bezug im Parteiendurchschnitt mehr als verdoppelt: von 4% auf 9% in BaWü und von 3% in 2016 auf 8% in RP.

Blickt man auf die einzelnen Parteien (Abb. 1), fällt dieser Sprung von einer zur nächsten Wahl allerdings sehr unterschiedlich aus. Insbesondere bei der FDP ist die Salienz von Digitalpolitik enorm gestiegen: Sie ist mit 14% in RP sieben Mal und mit 17% in BaWü vier Mal so hoch wie noch bei der vorangehenden Wahl 2016. Dies passt zu der Beobachtung, dass sich die FDP bereits seit einigen Jahren als „die“ Digitalisierungspartei zu etablieren versucht.

Auch bei CDU, Grünen und SPD spielen digitalpolitische Themen im Jahr 2021 eine wichtige Rolle. Besonders die baden-württembergische CDU sowie die rheinland-pfälzische SPD mit einer Salienz von 10% treten hier hervor. An den Rändern des parteipolitischen Spektrums ist ferner bemerkenswert, dass die Linke auch 2021 der Digitalisierung nur wenig Platz in ihren Parteiprogrammen einräumt, während die AfD deutlich gegenüber anderen Parteien aufzuholen scheint.

Abbildung 1. Bedeutung von digitalpolitischen Themen in den Wahlprogrammen der Parteien in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz; 2016 & 2021

Bedeutung von Digitalisierung nach Themenfeldern

Als Querschnittsthema betrifft die Digitalisierung viele Politikfelder. Der Blick darauf, in welchen Bereichen die Parteien die digitale Transformation im Rahmen ihrer Wahlprogramme aufgreifen, vermittelt einen Eindruck, wo diese in der kommenden Legislaturperiode einen besonderen Handlungsbedarf sehen und im Falle einer Regierungsübernahme aktiv werden.

Abbildung 2 zeigt die durchschnittliche Verteilung der Themenanteile über alle Parteien. Bei beiden Wahlen verteilen sich die digitalpolitischen Äußerungen der Parteien mit ähnlichem Gewicht auf verschiedene Themenfelder. Auf den vordersten Plätzen liegen: erstens die Förderung von digitalen Kompetenzen sowie Digitalisierung im Kontext von (Hoch)Schule & Forschung; zweitens der Ausbau der digitalen Infrastruktur wie z.B. des Breitband- und Mobilfunknetzes sowie der gleiche technische Zugang; drittens die (Weiter-)Entwicklung im Bereich E-Government, insbesondere in Bezug auf die Modernisierung der Verwaltung; viertens, die Förderung von Prozessen der Digitalisierung in der Wirtschaft; und fünftens der Ausbau auf dem Gebiet der Cybersicherheit und dem Einsatz digitaler Technologien im Bereich Innere Sicherheit und Gefahrenabwehr.

Abbildung 2. Bedeutung von digitalpolitischen nach Themenfeldern in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz; 2016 & 2021

Insgesamt entfallen allein auf diese fünf Themen in BaWü knapp 61%, in RP rund 65% der Sätze mit digitalpolitischem Bezug. Das Thema Digitalisierung und Gesundheit wurde insbesondere von den Parteien in BaWü verstärkt aufgegriffen, während die relative Bedeutung in RP gegenüber 2016 sogar rückläufig ist. Ein klarer Anstieg zeigt sich in anderen Feldern, die während Covid-19-Pandemie in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung gerückt sind: So sind sowohl der Bereich Arbeitsverhältnisse als auch Verkehr und Mobilität sowie Kultur und Medien wichtiger geworden. Die Themen Netzneutralität, Privatsphäre und Datenschutz sind hingegen in den Hintergrund getreten.

Unterschiede zwischen Parteien in ausgewählten Themenfeldern

Wie verteilen sich die Äußerungen der einzelnen Parteien zu digitalpolitischen Themen auf verschiedene Politikbereiche? Eine Antwort hierauf gibt Aufschluss darüber, auf welche Bereiche die Parteien besonderes Gewicht legen und sich womöglich von anderen Parteien abgrenzen. Für die Top-3 Themenfelder zeigt sich folgendes Bild (Abb. 3).

Die Digitalisierung im Bereich Bildung, Ausbildung und Hochschule spielt in BaWü bei allen Parteien eine maßgebliche Rolle. So liegt der Anteil bei mind. 15% (CDU) und reicht bis zu 25% (SPD). Deutliche Varianz zeigt sich hingegen in RP, wo digitale Bildung & Forschung insbesondere von der CDU (36% in 2021), aber auch der SPD (24% in 2021) aufgegriffen werden, während die Salienz bei den anderen Parteien um die 10% liegt.

Im Vergleich dazu hat das Thema digitale Infrastruktur und gleiche technische Zugangsmöglichkeiten bei fast allen Parteien gegenüber 2016 an Bedeutung verloren. Interessanterweise sind Fragen der Breitbandversorgung, Glasfaserkabeln und Mobilnetzen – insbesondere mit Fokus auf der Anbindung des ländlichen Raums – bei der AfD und der Linken aber immer noch extrem stark im Parteiprogramm verankert (in RP) bzw. haben an Bedeutung zulegt (in BaWü).

Beim Themenfeld E-Government sticht vor allem die FDP heraus, die vielfach die Chancen der digitalen Verwaltung betont. Aber auch CDU und die Grünen, gerade als Regierungsparteien in BaWü setzen verstärkt auf dieses Thema, während die Bedeutung bei der SPD in RP merklich zurückgegangen ist.

Abbildung 3. Unterschiede zwischen den Parteien in aus gewählten Themenfeldern in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz; 2016 & 2021


Referenzen:

  • König, Pascal D. 2018. Digitalpolitische Positionen im deutschen Parteiensystem. Eine Analyse der Parteipositionen zu den Bundestagswahlen der Jahre 2009, 2013 und 2017. Zeitschrift für Vergleichende Politikwissenschaft 12: 399–427. https://doi.org/10.1007/s12286-018-0390-0.

  • König, Pascal D. & Georg Wenzelburger. 2019. Why Parties Take Up Digitization in their Manifestos: An Empirical Analysis of Eight Western European Economies. Journal of European Public Policy 26 (11): 1678-1695. https://doi.org/10.1080/13501763.2018.1544268.

  • Siewert, Markus B. & Pascal D. König. 2019. On Digital Front-Runners and Late-Comers: Analyzing Issue Competition over Digitization in German Subnational Elections. European Political Science Review 11(2): 247-265. https://doi.org/10.1017/S1755773919000109.

  • Siewert, Markus B. & Pascal D. König. 2021. Becoming Mainstream? The Emergence of Digital Policies in German Regional Party Politics. German Politics. Online first. https://doi.org/10.1080/09644008.2021.1890040.

Bild: pixabay.com