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Lektionen für den Aufbau von digitalen Forschungsinfrastrukturen

Fritz Sager, Johanna Künzler, David Kaufmann
1st März 2021

Die zunehmende Förderung von interdisziplinären Forschungsprogrammen rückt Fragen zur Ausgestaltung und Umsetzung von Dateninfrastrukturen in den Fokus. Antworten dazu bringt die Evaluation eines der teuersten Schweizer Förderungsprogramme.

Die Schweizer Forschungsinitiative in Systembiologie (SystemsX.ch) war das teuerste Forschungsförderungsprogramm in der Geschichte der Schweiz. Zwischen 2009 und 2018 wurden 220 Millionen Schweizer Franken für 248 Forschungsprojekte im Bereich der Systembiologie bereitgestellt. Das Ziel war, Schweizer Universitäten und deren Forscher*innen eine führende Rolle in diesem aufkommenden Forschungsfeld zu ermöglichen.

Die gemeinsame Nutzung von erhobenen Daten ist ein wichtiger Bestandteil von Forschungsprogrammen.

Wir evaluierten ein Projekt der Initiative, SystemsX.ch Biology IT (SyBIT), das darauf abzielte, eine zentralisierte IT- und datentechnische Unterstützung bereitzustellen und eine gemeinsame Datensammlungsplattform zu realisieren (Sager, Kaufmann und Künzler 2017). Denn Plattformen für die Nutzung und das Teilen von Daten sehen sich nicht nur technischen Herausforderungen gegenüber, sondern unterschiedliche Stakeholder verfügen auch über verschiedenen Erwartungen gegenüber diesen Plattformen. Zudem sind diese Plattformen sehr teuer und kosten oft mehr als budgetiert. Schliesslich liefern sie oft weniger als ihre Entwickler*innen gehofft und versprochen haben.

Unsere Evaluation zeigt: Während die IT und datentechnische Unterstützung von SyBIT durchaus zufriedenstellend war, scheiterten die Versuche, eine gemeinsame Datensammlungsplattform effektiv zu betreiben.

Ursachen für das Scheitern von SyBIT

Der Erfolg eines jeden Projekts hängt von seiner Ausgestaltung und seiner Umsetzung ab. Wir haben fünf Ursachen für das Scheitern des Projekts identifiziert (Kaufmann, Künzler und Sager, 2020).

Erstens wurde bei der Konzeption zu wenig darauf geachtet, was die Forscher*innen wollten und wirklich brauchten. Die Forscher*innen hatten wenig Bedarf an einer gemeinsamen Dateninfrastruktur und deshalb kein Interesse an der Nutzung der Plattform.

Das zweite Problem war technischer Natur. Die Systembiologie verwendet vielfältige Datenformate. Die Ausgestaltung der Plattform unterschätzte die Herausforderungen, die eine Integration dieser heterogenen Formate mit sich bringt.

Drittens fehlte es an einer kohärent ausgerichteten Führungsstruktur. Die zentralen Gremien, die SyBIT steuerten, bestanden nicht auf der Weiterverfolgung und Nutzung der Datensammlungsplattform.

Der vierte Faktor war auf persönliche Konflikte zwischen Führungspersonen zurückzuführen. Solche persönlichen Faktoren sind schwer vorherzusagen und zu lösen.

Fünftens erschwert das dezentrale Schweizer Universitätssystems verschiedene Kooperationsprojekte im Bereich der Dateninfrastruktur. Schweizer Universitäten sind in hohem Masse autonom und geben nur ungern etwas von dieser Autonomie ab.

Drei Lektionen für künftige Forschungsprogramme

Wir sehen drei Lektionen, die für zukünftige gross angelegte Forschungsprogramme in ähnlichen Kontexten hilfreich sein können. Erstens ist eine praktikable Projektausgestaltung entscheidend. Fehler in diesem Bereich führen zu Folgeproblemen, wie zum Beispiel der Widerstand der Nutzer*innen oder Unterschätzung der technologischen Komplexität. Jede realistische Projektausgestaltung sollte die Erwartungen der Forschenden als Zielgruppe des Projektes antizipieren.

Zweitens sollten die top-down Führungsstruktur und der bottom-up Handlungsspielraum gut ausbalanciert sein. Forschungsinfrastrukturen werden durch ständige Interaktionen und Rückmeldungen zwischen denen, die sie betreiben, und denen, die sie nutzen, geprägt. Gross angelegte Forschungsprogramme müssen ihre Zielgruppe ernst nehmen und deren Bedürfnisse in der Ausgestaltungs- und Umsetzungsphase berücksichtigen.

Drittens: Wer Forschungsinfrastrukturen plant, sollte die Infrastruktur dem Kontext anpassen. Es gibt kein Einheitsmodell für die Entwicklung eines gross angelegten Forschungsprogramms.


Referenzen:

Bild: pexels.com