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Passiver und weniger parteitreu: Wie sich die Amtszeitbeschränkung auf Parlamentsmitglieder auswirkt

Elena Frech, Niels D. Goet, Simon Hug
1st Februar 2021

Mitglieder von Schweizer Parlamenten mit Amtszeitbeschränkung folgen gegen Ende ihrer Amtszeit weniger der Parteilinie – und lassen in ihren Aktivitäten erst noch nach. Das zeigt eine Untersuchung des Verhaltens von Abgeordneten auf Bundes- und Kantonsebene.

Rotationen seien nötig, damit neue, unverbrauchte Personen frischen Wind in die Parlamente bringen können, ist ein häufiges Argument für Amtszeitbeschränkung. Damit würde der Entstehung eines Politikerfilzes entgegengewirkt, und amtsältere Abgeordnete seien nicht unbedingt besser als neu eintretende. Die Gegner der Amtszeitbeschränkung betonen neben der Kontinuität die Erfahrung und Sachkunde der langjährigen Parlamentarierinnen und Parlamentarier. Zudem komme es mit der Amtszeitbeschränkung in den Räten neben der schon bestehenden Rotation zu zusätzlichen personellen Wechseln.

In einigen parlamentarischen Systemen der Schweiz sind bestimmte Amtszeitbeschränkungen vorgeschrieben. Wegen des föderalen Charakters des Landes gelten diese Begrenzungen auf verschiedenen Ebenen und sind von unterschiedlicher Dauer; gemessen werden sie entweder in Legislaturen (meist drei bis fünf) oder Amtsjahren (meist 12 oder 16). Die Amtszeiten ihrer parlamentarischen Vertreter und Vertreterinnen einschränken können auch kantonale Sektionen der Parteien, welche solche Bestimmungen wiederum unterschiedlich streng anwenden. Eine solche Amtszeitbeschränkung der SVP Bern war im Vorfeld der Nationalratswahl 2019 im Zusammenhang mit dem langjährigen Nationalrat Adrian Amstutz öffentlich diskutiert worden (siehe z.B. NZZ 2016).

Parlamente während 16 Jahren untersucht

Eine Forschergruppe hat nun das Verhalten von Abgeordneten im National- und Ständerat gemessen – mit und ohne Amtszeitbeschränkung. Analysiert wurden neu zusammengetragene Daten in Form von Reden, Vorstössen und Abstimmungen über insgesamt 16 Jahre. Gleichzeitig erforschte das Team das entsprechende Verhalten in den kantonalen Parlamenten von Basel-Stadt (Grossrat) und Baselland (Landrat). Die Resultate der Studie im SNF-Projekt «Parliamentary Careers in Comparison» wurden im Fachblatt «Legislative Studies Quarterly» veröffentlicht.

Unterschiede zwischen Bund und Kantonen

Die Forschenden stiessen auf Bundesebene auf Hinweise, dass Parlamentsmitglieder mit Amtszeitbeschränkung gegen Ende der letzten Legislaturperiode ihr Verhalten ändern, da sie nicht wiedergewählt werden können. Sie weichen in den Abstimmungen eher von der Position ihrer Partei ab. Ebenso reduzieren sie eher ihre parlamentarischen Aktivitäten, beteiligen sich also weniger an Voten und Abstimmungen, enthalten sich öfter der Stimme und reichen auch weniger Vorstösse ein. Kaum einen Einfluss auf das Verhalten hat die Amtszeitbeschränkung dagegen in den beiden untersuchten Kantonen.

Solche Unterschiede zwischen Bund und Kanton könnten darauf zurückzuführen sein, dass kantonale Parlamentarierinnen und Parlamentarier nach der letzten Amtszeit noch in den National- oder Ständerat gewählt werden können oder wollen, kommentiert Erstautorin Elena Frech die Ergebnisse der Studie. Sie könnten demnach weniger von der Parteiposition abweichen, um diese Karriereoption nicht zu gefährden. Umgekehrt sei die politische Karriere der Mitglieder von National- und Ständerat mit der letzten Amtszeit meist vorüber, was den Effekt der Beschränkung noch verstärken könnte. «Insgesamt konnten wir zeigen, dass Amtszeitbeschränkungen potenziell auch negative Nebeneffekte haben», so Frech.


Referenz:

Bild: parlament.ch