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Umsetzung von COVID-19-Massnahmen — Wie Junge und Personen mit niedrigem Vertrauen in Medien zu erreichen sind

Zora Föhn, Cornel Kaufmann
12th Juni 2020

Die Schweiz ist auf dem Weg zur neuen Normalität nach der Corona-Krise. Um eine zweite Welle zu verhindern, ist das konsequente Befolgen der Hygiene- und Verhaltensregeln weiterhin zentral. Allerdings ist die Akzeptanz der Massnahmen nicht in allen Bevölkerungsgruppen gleich. Wir gehen in diesem Beitrag der Frage nach, wie Personen mit einer inkonsequenten Umsetzung der Massnahmen zu erreichen und für eine striktere Umsetzung zu motivieren sind.

Grundsätzlich werden die vom BAG empfohlenen Massnahmen von einem Grossteil der Bevölkerung sehr konsequent umgesetzt. So gaben neun von zehn Befragten an, sich regelmässige die Hände zu waschen. Auch die Massnahme zwei Meter Abstand halten wird von einem Grossteil der Befragten sehr gut umgesetzt. Drei Viertel der Befragten tun dies regelmässig und ungefähr jede fünfte Person relativ häufig.

Der Anteil Befragter mit einer regelmässigen Umsetzung ist bei der Massnahme zwei Meter Abstand halten deutlich tiefer als bei der Massnahme regelmässiges Händewaschen. Erklärt werden kann dies möglicherweise damit, dass das Abstandhalten im Alltag eine grössere Umstellung darstellt als das regelmässige Händewaschen.

Die Massnahmen werden nicht von allen gleich gut umgesetzt

Allerdings setzen nicht alle Bevölkerungsgruppen die beiden Massnahmen gleich gut um. Unsere Analyse zeigt, dass Personen mit einem höheren Bildungsniveau oder Personen mit einem schlechten Gesundheitszustand die Massnahme zwei Meter Abstand halten besser umsetzen als andere. Für die Umsetzung der Massnahme regelmässiges Händewaschen konnten wir keinen grossen Unterschied nach Bildungsniveau oder Gesundheitszustand feststellen. Es gibt auch keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern. 

Deutliche Unterschiede zeigen sich hingegen zwischen den Altersgruppen: Je jünger die Befragten, desto seltener werden die Massnahmen umgesetzt.[1] Vor allem das Abstand halten fällt den jüngeren Befragten deutlich schwerer als den älteren (Abbildung 1). Es sind folglich die Jungen, die speziell zur Einhaltung der Massnahmen motiviert werden müssen.  

Abbildung 1: Umsetzung der Covid-19-Massnahmen nach Alter

Die Unterschiede bei der Umsetzung sind zwischen den Altersgruppen gemäss dem Chi-Quadrat-Test auf dem 95%-Niveau signifikant, n=873

 

In den vergangenen Wochen kam es in verschiedenen Schweizer Städten zu Kundgebungen gegen die vom Bundesrat beschlossenen COVID-19-Massnahmen. Die Pressebilder davon zeigen eine heterogene Zusammensetzung der Demonstrierenden. Medienberichten zufolge vereint die Demonstrierenden vor allem ein Misstrauen gegenüber Regierung und Presse (Pelda 2020).

Wir gingen in unserer Analyse der Frage nach, ob der in den Medien postulierte negative Zusammenhang zwischen dem Vertrauensniveau in die Institutionen Regierung, Medien und Forschung und der Umsetzung der Massnahmen bestätigt werden kann. Dabei zeigte sich ein klares Muster: Je höher das Vertrauen der Befragten in Regierung, Medien und Forschung, desto eher werden die besagten Massnahmen konsequent umgesetzt.

Die Untersuchung führt somit zu Tage, dass neben den jüngeren Altersgruppen vor allem Personen mit tiefem Vertrauen in die Institutionen besonders zur Einhaltung der behördlich verordneten Massnahmen motiviert werden sollten (Abbildungen 2, 3, 4).

Abbildung 2: Umsetzung der Massnahmen nach Vertrauen in die Regierung im Zusammenhang mit Covid-19

Abbildung 3: Umsetzung der Massnahmen nach Vertrauen in die Medien im Zusammenhang mit Covid-19

Abbildung 4: Umsetzung der Massnahmen nach Vertrauen in die Forschung im Zusammenhang mit Covid-19

Die Unterschiede bei der Umsetzung sind zwischen den Vertrauensniveaus (in Regierung, Medien und Forschung) gemäss dem Chi-Quadrat-Test auf dem 95%-Niveau signifikant, n=873

 

In wen vertrauen Personen mit einer inkonsequenten Umsetzung der Massnahmen?

In einem nächsten Schritt gingen wir der Frage nach, wie und vor allem über welche Kanäle Personen, die derzeit die COVID-19-Massnahmen inkonsequent umsetzen, langfristig zur Einhaltung motiviert werden können.

Die Gruppe der Befragten mit einer inkonsequenten Umsetzung hat, wie bereits beschrieben, ein tieferes Vertrauen in die Institutionen Regierung, Forschung und Medien als die Gesamtbevölkerung. Allerdings zeigt sich, dass sich das Vertrauen in die einzelnen Institutionen signifikant unterscheidet.

Während der Anteil der Personen mit hohem Vertrauen in Regierung und Forschung in dieser Gruppe noch immer relativ hoch ausfällt (42 bzw. 37,5 Prozent), ist ihre Einstellung gegenüber den Medien sehr kritisch (Abbildung 5). Lediglich gut 6 Prozent dieser Gruppe weist ein hohes Vertrauen in die Medien auf, 35 Prozent dagegen ein tiefes. Soll diese Bevölkerungsgruppe also zu einer konsequenteren Umsetzung der COVID-19-Massnahmen motiviert werden, ist die Kommunikation durch die Medien wenig zielführend.

Abbildung 5: Vertrauen in die Institutionen der Bevölkerungsgruppen mit inkonsequenter Umsetzung der Covid-19-Massnahmen

n=102

 

Unsere Empfehlung: zielgruppenspezifische und direkte Kommunikation

Wie die Analyse unserer Daten zeigt, tendieren besonders jungen Menschen sowie Menschen mit einem tiefen Vertrauen in die Medien dazu, die entsprechenden Massnahmen wenig konsequent umzusetzen. Damit aber genau diese Bevölkerungsgruppen (weiterhin) zur konsequenten Umsetzung der Massnahmen motiviert werden können, formulieren wir folgende Empfehlungen:

  • Erstens empfehlen wir, in Medienberichten, Experteninterviews oder Bundesratsmitteilungen explizit auf die Umsetzung der Massnahmen durch junge Menschen einzugehen und zu betonen, warum die Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln auch für diese Bevölkerungsgruppen in naher Zukunft wichtig ist.
  • Da das Vertrauen in die Medien beim Thema COVID-19 von Personen mit einer wenig konsequenten Umsetzung der Massnahmen besonders gering ist, empfehlen wir zweitens, möglichst direkte Kommunikationsmittel zwischen der Regierung oder der Forschung und der Bevölkerung zu nutzen. Wenn die Regierung beispielsweise über Plakate, durch Live-Übertragungen von Konferenzen oder Social Media mit der Bevölkerung kommuniziert, scheint dies von dieser Bevölkerungsgruppe ernster genommen zu werden als wenn die Rezeption von den Medien geleistet wird.
  • Aus der gleichen Überlegung heraus wäre es längerfristig sinnvoll, in der Schweiz ein Kompetenzzentrum zu benennen, das die Ergebnisse der Forschung sachgerecht und für die gesamte Bevölkerung gut verständlich aufbereitet und kommuniziert. Auf diese Weise könnten Empfehlungen aus der Forschung ohne Umweg über die Medien, die bei den Zielgruppen zum Teil kein hohes Vertrauen geniessen, direkt an die Bevölkerung kommuniziert werden. Dieses Zentrum könnte in der Schweiz somit ähnliche Funktionen übernehmen wie das Robert-Koch-Institut in Deutschland. Ein Start in diese Richtung sind die Policy Briefs der Swiss National COVID-19 Science Task Force, die öffentlich zugänglich sind. Damit die Policy Briefs allerdings bei der breiten Bevölkerung Anklang finden, sollten sie besser publik gemacht werden sowie die Sprache und das Design zielgruppengerechter gewählt werden.

Daten und Methode
Die Analyse der Umsetzung der Massnahmen zur Eindämmung von COVID-19 sowie des Vertrauens in die Institutionen im Zusammenhang mit dem Virus basiert auf einer statistischen Auswertung der Ergebnisse einer Online-Umfrage, die zwischen Ende März und Anfang April bei einer repräsentativen Stichprobe von volljährigen Deutschschweizern und Deutschschweizerinnen im Rahmen des Projekts Health2040 der Universität Luzern durchgeführt wurde.  

Das Vertrauen in die Institutionen und die Umsetzung der Massnahmen wurde anhand einer Likert-Skala mit Werten von 1 bis 7 abgefragt. Die Befragten wurden gebeten anzugeben, wie oft sie persönlich die Massnahmen regelmässiges Händewaschen und zwei Meter Abstand halten auf einer Skala von 1 bis 7 umsetzen, wenn 1 «nie» und 7 «immer» bedeutet. Für die Auswertungen wurde die Häufigkeit der Umsetzung in drei Kategorien umcodiert (1, 2, 3 = seltene Umsetzung; 4 und 5 = mittlere Umsetzung; 6 und 7 = regelmässige Umsetzung).

Zusätzlich wurde neben den üblichen individuellen Charakteristiken wie Alter, Bildungsstand und Gesundheitszustand das Ausmass an Vertrauen in Regierung, Forschung und Medien im Zusammenhang mit dem Umgang von COVID-19 erfasst. Auch das Vertrauen wurde anhand einer Likert-Skala mit Werten von 1 bis 7 erhoben und für die Auswertung in drei Kategorien umcodiert (1, 2 = tiefes Vertrauen; 3, 4, 5 = mittleres Vertrauen; 6, 7 = hohes Vertrauen).

Die Auswertung zum Vertrauensniveau der Personen mit inkonsequenter Umsetzung der COVID-19-Massnahmen basiert auf einem Datensatz aus Personen mit einer seltenen und mittleren Umsetzung der Massnahmen (n = 102).

[1] Dieser Befund deckt sich mit dem Ergebnis aus dem Monitoring zur Corona-Krise der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG).


Referenzen:

  • Barthels, Inga (2020): Bevölkerungsstudie der Uni Mannheim- Die Akzeptanz für harte Corona-Massnahmen schwindet. In: Der Tagesspiegel. URL: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/bevoelkerungsstudie-der-uni-mannheim-die-akzeptanz-fuer-harte-corona-massnahmen-schwindet/25728054.html (abgerufen am 26.05.2020).
  • Bosshardt, Lorenz et al. (2020): Die Schweiz und die Corona-Krise- Monitoring der Bevölkerung. Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft SRG SSR. URL:  https://sotomo.ch/site/wp-content/uploads/2020/05/SRG_sotomo_Monitoring_Coronakrise_W3_web.pdf (abgerufen am 26.05.2020).
  • Bundesamt für Gesundheit BAG (2020): Neues Coronavirus: Massnahmen, Verordnungen und Erläuterungen. URL: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/krankheiten/ausbrueche-epidemien-pandemien/aktuelle-ausbrueche-epidemien/novel-cov/massnahmen-des-bundes.html#797337129 (abgerufen am 26.05.2020).
  • Pelda, Kurt (2020): Wer steckt hinter den «Corona-Rebellen»? In: Tagesanzeiger. URL: https://www.tagesanzeiger.ch/wer-steckt-hinter-den-corona-rebellen-802443284662 (abgerufen am 26.05.2020).

 

Bild: www.bag.admin.ch