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Hello, Goodbye

Catherine de Vries, Isabell Hoffmann
4th Februar 2020

Grossbritannien hat die Europäische Union Ende Januar verlassen. Nun richten sich alle Augen auf die bevorstehenden wirtschaftlichen Auswirkungen und die weiteren Verhandlungsrunden. Wir haben uns der Frage gewidmet, wie das britische Volk den Zustand seines Landes in diesem entscheidenden Moment seiner politischen Geschichte einschätzt. Dabei zeigt sich, dass die Situation der neuen britischen Regierung zunehmend diffiziler werden könnte.

Die eupinions-Befragung
Mit unseren eupinions-Trends erfassen wir die Grundlagen des politischen und persönlichen Lebens, indem wir seit 2015 alle drei Monate europäische Bürger*innen befragen. Dafür analysieren wir vier Fragen im Laufe der Zeit und vergleichen die britischen Antworten mit denen ihrer kontinentalen Nachbar*innen.
Die vier Fragen, die wir verwenden, sind:

  • Denken Sie über Ihr Land im Allgemeinen nach. Würden Sie sagen, dass sich die Dinge in die richtige Richtung bewegen?
  • Wie zufrieden sind Sie mit der Art und Weise, wie die Demokratie in Ihrem Land funktioniert?
  • Wie ist Ihr persönlicher Ausblick auf die Zukunft im Allgemeinen?
  • Wie hat sich Ihre persönliche wirtschaftliche Situation in den letzten zwei Jahren verändert?

Dabei können wir sehen, dass, obwohl eine beträchtliche Anzahl britischer Bürger*innen das Vertrauen in den Zustand ihres Landes verloren hat, sie ihre persönliche Situation weiterhin recht positiv einschätzen.

Im Juli 2015 gaben 44 Prozent der Brit*innen an, zufrieden zu sein mit der Richtung, die das Land eingeschlagen hatte (siehe Abbildung 1). Seither ist der Anteil der Zufriedenen um 17 Prozentpunkte gesunken. Im Dezember 2019 gaben nur noch 27 Prozent der britischen Bevölkerung an, dass sich ihr Land in die richtige Richtung entwickelt.

Abbildung 1: Zufriedenheit mit der Entwicklung des eigenen Landes, 2015-2019

Ganz allgemein beurteilen die Europäer*innen den Zustand ihres jeweiligen Landes nicht sehr positiv. Bemerkenswert ist jedoch, dass die Brit*innen im Jahr 2015 zu denjenigen gehörten, die ihr Land am positivsten beurteilten - nur vier Jahre später gehören sie zu den am wenigsten Zufriedenen.

2019 befinden sich die Brit*innen auf einem ähnlichen Niveau wie die befragten Bürger*innen aus Frankreich und Spanien, die nur noch von den notorisch unzufriedenen Italiener*innen übertroffen werden.

Während die britischen Befragten den Zustand ihres Landes deutlich negativer einschätzten, hat sich der Grad der Zufriedenheit innerhalb der EU insgesamt seit 2015 nicht wesentlich verändert.

Auf die Frage, wie die Demokratie in ihrem Land funktioniert (siehe Abbildung 2) ergibt sich ein ähnliches Bild. Wir haben diese Frage erstmals im März 2016 gestellt. Damals gaben 56 Prozent der britischen Bürger*innen an, mit der Art und Weise, wie die Demokratie in Grossbritannien funktioniert, zufrieden zu sein. Im Dezember 2019 waren nur noch 43 Prozent dieser Meinung wobei die Zufriedenheit besonders in den letzten 18 Monaten stark gesunken ist.

Abbildung 2: Zufriedenheit mit der nationalen Demokratie, 2016-2019

Bis zum Sommer 2018 stieg die Zufriedenheit mit der Demokratie in Grossbritannien sogar noch an. Seitdem ist die Zufriedenheit mit der Art und Weise, wie die Demokratie in Grossbritannien funktioniert, jedoch zurückgegangen: von 62 Prozent im Juni 2018 auf 43 Prozent am Ende des Jahres 2019. In der EU insgesamt liegt die Zufriedenheit mit der Demokratie bei rund 50 Prozent. Während die Italiener*innen mit ihrer Demokratie besonders unzufrieden sind (nur 27 Prozent sind zufrieden), sind die Deutschen mit ihrer Demokratie am zufriedensten (57 Prozent).

Interessanterweise ergibt sich ein anderes Bild, wenn es um das persönlichen Leben der Befragten geht (siehe Abbildung 3). Im Jahr 2015 gaben 59 Prozent der britischen Befragten an, einen positiven Ausblick auf ihre persönliche Zukunft zu haben. In den folgenden Jahren stieg diese Zahl sogar bis auf 75 Prozent im September 2018 an, woraufhin sie wieder auf 54 Prozent im Dezember 2019 zurückging. Nur die Französ*innen und Italiener*innen hatten im Dezember 2019 einen weniger positiven Ausblick auf ihr persönliches Leben. In der EU insgesamt hatten 58 Prozent eine positive Aussicht auf ihre persönliche Zukunft im Jahr 2015. Auch dieser Optimismus stieg bis September 2018 auf 75 Prozent an und ist im Dezember 2019 wieder auf 58 Prozent gesunken.

Abbildung 3: Ausblick auf die persönliche Zukunft, 2015-2019

Wir sehen ein ähnliches Muster, wenn man die Menschen fragt, wie sich ihre persönliche wirtschaftliche Situation in den letzten zwei Jahren entwickelt hat (siehe Abbildungen 4a bis 4c). Wir haben im März 2016 begonnen, diese Frage zu stellen. Damals gaben 32 Prozent der Brit*innen an, dass sie sich verbessert habe, 33 Prozent gaben an, dass sie sich verschlechtert habe, und 35 Prozent sahen in den letzten zwei Jahren keine Veränderung ihrer persönlichen wirtschaftlichen Situation. Mitte 2018 war ein beträchtlicher Teil der Brit*innen positiver gegenüber ihrer persönlichen wirtschaftlichen Situation eingestellt, um dann 2019 wieder negativer darüber nachzudenken. Nur 28 Prozent sahen eine Verbesserung, 33 Prozent eine Verschlechterung und 39 Prozent keine Veränderung.

Abbildung 4a: Persönliche wirtschaftliche Situation verbessert, 2016-2019

Abbildung 4b: Persönliche wirtschaftliche Situation verschlechtert, 2016-2019

Abbildung 4c: Persönliche wirtschaftliche Situation bleibt gleich, 2016-2019

Die Auswirkungen des Brexit sind noch nicht absehbar. Bislang standen vor allem die laufenden Debatten und die Machtkämpfe im Parlament im Fokus. Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen sind bisher ausgeblieben, da der Brexit noch nicht stattgefunden hatte. Wenn die Folgen des Brexits sichtbarer und somit auch die Wahrnehmung ihrer persönlichen Situation für die Menschen düsterer wird, könnte wohl auch die Situation für die neue britische Regierung zunehmend diffiziler werden.


Referenz: Weitere Studien und Daten zur europäischen Öffentlichkeit finden Sie hier. Auf Twitter finden Sie uns hier.

Bild: Wikicommons