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Wandel der persönlichen Beziehungen schafft neue soziale Risiken

Gaëlle Aeby, Jacques-Antoine Gauthier, Eric D. Widmer
30th September 2019

Die Politik verlässt sich trotz der Diversifizierung der Lebensverläufe nach wie vor stark auf die Solidarität innerhalb der Familie. Die Netzwerke der persönlichen Beziehungen sind jedoch vielfältiger geworden und stützen sich nicht zuletzt auf Freunde oder Arbeitskollegen ab. Dies zeigen die Ergebnisse der Studie Family tiMes, welche eine Weiterentwicklung der Sozial- und Familienpolitik hin zu einer stärkeren Orientierung an der Realität der Lebensverläufe nahelegen.

Die sozialen Beziehungen einer Person entstehen und verändern sich durch Ereignisse im Lebenslauf, wie Elternschaft, Arbeitslosigkeit oder einen Unfall. Das Forscherteam um Gaëlle Aeby, Jacques-Antoine Gauthier und Eric D. Widmer zeigt, dass die heutigen Lebensverläufe einer "Entstandardisierung " unterliegen. Diese wird durch grössere Unsicherheit im Lebens-verlauf verursacht und erklärt sich zudem dadurch, dass bestimmte Ereignisse und Ent-scheidungen heute eher rückgängig gemacht werden, wie z.B. die Ehe oder die ursprünglicheBerufswahl. Infolgedessen verändert sich auch die Struktur der persönlichen Netzwerke.

Die Studie Family tiMes zeigt auf der Basis einer Befragung von 800 Personen, dass das Netzwerk derjenigen Individuen, die als sehr wichtig erachtet werden, im Durchschnitt vier Personen umfasst. Die drei Forschenden identifizieren sieben Typen von persönlichen Netz-werken; vier davon sind auf die Familie und drei auf Freunde ausgerichtet. Die Kernfamilie (Ehepartner und Kinder) steht im Mittelpunkt der Beziehungen von Individuen, die zwischen 20 und 30 Eltern geworden sind. Im Gegensatz dazu stützen sich die Netzwerke von Personen, die ein Eheleben (ohne Kinder) bevorzugen, Single sind oder eine Scheidung erlebt haben, eher auf freundschaftliche Beziehungen ab. Es sind diese Netzwerke, die ihnen emotionale und materielle Unterstützung bieten.

Risikogruppen besser identifizieren

Die Kinderbetreuung, die Finanzierung einer Erstausbildung oder auch die Betreuung älterer Menschen hängt in der Schweiz nach wie vor stark von der Solidarität innerhalb der Familie ab. Um gefährdete Gruppen besser zu identifizieren und den Unwägbarkeiten heutiger Familienverläufe besser gerecht zu werden, sollte die Politik kritische Lebensereignisse stärker berücksichtigen.


Referenz:

Gaëlle Aeby, Jacques-Antoine Gauthier et Eric D. Widmer (2019), Beziehungen im Lauf der Zeit: Kartografie der persönlichen Netzwerke in der Schweiz. Social Change in Switzer-land, N°19. Retrieved from www.socialchangeswitzerland.ch

Bild: rawpixel.com