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Warum Gemeindefusionen kein Wundermittel sind

Roland Hofmann
3rd Juli 2019

Lohnt es sich aus finanzieller Sicht überhaupt, Gemeinden zu fusionieren? Ob durch solche Reformen Einsparungen realisiert werden können, ist in der Literatur umstritten und von den Rahmenbedingungen des Einzelfalls abhängig. Die Gemeindefusion in Glarus 2011 bietet die Gelegenheit, solche finanziellen Auswirkungen einer umfassenden vertikalen und horizontalen Reform zu untersuchen.

Der internationale Trend zu lokalen Gebietsreformen hat in den letzten Jahren auch die Schweiz erreicht. Solche Reformen zielen (neben anderen Motiven) oft darauf ab, grössere Gemeinden zu bilden und damit Grössenvorteile zu erzielen. Die politischen Diskussionen über eine Gemeindereform in Glarus begannen Mitte der 90er-Jahre und waren teilweise durch finanzielle Schwierigkeiten motiviert. Ausgehend von den finanziellen und strukturellen Perspektiven bestand offenkundig Handlungsbedarf.

Die Landsgemeinde hat 2006 schliesslich beschlossen, die Struktur der Gemeinden und anderer lokaler politischer Einheiten in Glarus radikal zu vereinfachen. Die neue territoriale Struktur ab 2011 hat die intrakantonale Aufgabenverteilung zwischen Kanton und Gemeinden grundlegend verändert: Die horizontale Gebietsreform löste indirekt auch eine vertikale Reform von Verantwortlichkeiten, Aufgaben und Einnahmequellen aus. Die Reform und vor allem die entsprechenden Vorarbeiten überschnitten sich zudem mit der NFA.

Es stellt sich die Frage, ob Gemeindefusionen geeignet sind, um wirtschaftliche Ziele wie Skaleneffekte oder Kosteneinsparungen zu erreichen. Theoretische Überlegungen führen zu unklaren Ergebnissen und die aktuellen empirischen Belege sind gemischt. Wir nutzen die Reform in Glarus, um die fiskalischen Auswirkungen des Zusammenschlusses empirisch zu quantifizieren.

Die wichtigsten Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass die horizontale Gebietsreform 2011 in ausgewählten Bereichen und Aufgaben zu gewissen Einsparungen bei den Ausgaben nach dem Zusammenschluss auf der Ebene der Gemeinden führte. Im Einklang mit den Ergebnissen zu früheren Untersuchungen von Gemeindefusionen haben wir einige Einsparungen in der allgemeinen Gemeindeverwaltung festgestellt. Und dort, wo Umstrukturierungen bei der Bereitstellung lokaler öffentlicher Güter vorgenommen wurden, die über eine reine territoriale Reform hinausgehen (z.B. öffentliche Schulen), sind ebenfalls gewisse Einsparungen erkennbar. Das Ausmass der Kostenminderungen war insgesamt jedoch beschränkt.

Abbildung 1: Synthetische Kontrollmethode - Reales vs. “Synthetisches” Glarus (Angaben in CHF)

Auch der Kanton erreichte Einsparungen, vor allem durch die vertikale Entflechtung der Aufgaben zwischen Kanton und Gemeinden im Vorfeld der Reform von 2008 bis 2011, nicht aber durch die Gebietsreform als solche.

Abschliessend können wir anhand dieser Reform in Glarus festhalten, dass durch territoriale Gemeindefusionen gewisse Einsparungen in Nischen möglich sind. Diese sind aber relativ gering. Die Effekte der vertikalen Aufgabenentflechtung zwischen Kanton und Gemeinden, respektive die Neuordnungen von Aufgaben und Verantwortlichkeiten sind weitaus ausgeprägter.

Die Reform war ein einzigartiges Ereignis in der Schweiz. Kleine und fragmentierte politische Einheiten wurden zusammengeführt. Zudem standen der Kanton und seine Gemeinden unter wirtschaftlichem Druck. Sowohl die Bürger als auch die Politiker waren sich wahrscheinlich bewusst, dass Reformen nötig waren. Daher ist es schwierig, zu unterscheiden zwischen Einsparungen durch die Reform und der reinen Bereitschaft zur Kostensenkung. Entsprechend sollten die Ergebnisse dieser Studie nicht verallgemeinert werden.

Das politökonomische Fazit bleibt so trotz aller methodischen Finessen simpel: Es lohnt sich, öffentliche Ausgaben von Zeit zu Zeit zu hinterfragen und zu prüfen, welche Staatsebene für welche Aufgaben am besten geeignet ist. Obschon die Fusionen kein Wundermittel waren, so sind sie doch ein Zeichen dafür, dass die Glarner diesen entscheidenden Punkt des Föderalismus längst verinnerlicht haben.

Methode

Für die hier vorliegende Forschungsfrage, ob die Reform zu Kosteneinsparungen geführt hat, ist es nicht möglich, ein kontrolliertes Experiment durchzuführen. Vergleichende Fallstudien sind jedoch ein guter Weg, um die Wirkung von politischen Entscheidungen und Interventionen zu schätzen. Die Synthetische Kontrollmethode (SCM) ermöglicht es, die Entwicklung des «realen» Glarus mit der Entwicklung eines «synthetischen» (nicht reformierten) Glarus zu vergleichen. Dieses synthetische Glarus wird gebildet, indem die Werte von anderen (nicht fusionierten) Kantonen gewichtet werden, bis sich die Entwicklung von realem und synthetischem Glarus vor der Reform angleichen. Wir nutzen Daten vor der Reform von 1995 bis 2010, um die beiden Entwicklungen anzugleichen und Daten nach der Reform von 2011 bis 2016, um eine allfällig abweichende Entwicklung darzustellen. SMC kann als Erweiterung des bekannten Difference-in-Difference Designs verstanden werden.


Referenz:

Hofmann, Roland und Natanael Rother (2019). Was it Worth it? The Territorial Reform in the Canton of Glarus, in: Swiss Political Science Review 25(2).


Bild: Wikimedia Commons