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Wer in der Schweiz populistische Einstellungen hat

Laurent Bernhard, Regula Hänggli
12th Dezember 2018

Das Phänomen des Populismus wurde bisher vor allem auf Ebene der politischen Eliten untersucht. Zum ersten Mal liegt eine empirische Analyse zu den populistischen Einstellungen der Schweizer Bürgerinnen und Bürger vor. Dabei zeigt sich, dass es sich um eine rechtslastige Angelegenheit handelt.

Französische Version

In den etablierten Demokratien reiten populistische Parteien und Kandidaten momentan auf einer Erfolgswelle. Der Sieg von Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen von 2016 symbolisiert wohl am prägnantesten den beeindruckenden Aufstieg des Populismus.

In den letzten Jahrzehnten sorgten in Westeuropa Populisten unterschiedlicher Ausrichtung für Aufsehen. In Österreich, Finnland, Griechenland, Italien, Norwegen und der Schweiz haben es populistische Parteien sogar geschafft, sich an nationalen Regierungen zu beteiligen.

Populistische Bürgerinnen und Bürger

Bisher hat sich die politikwissenschaftliche Literatur vorwiegend mit der politischen Angebotsseite beschäftigt, indem der Fokus auf die Rolle der politischen Eliten gelegt wurde. Die Populismusforschung hat sich erst in jüngster Zeit vermehrt der politischen Nachfrageseite zugewandt. Dabei stehen die populistischen Einstellungen der Bürgerinnen und Bürger im Zentrum des Interesses.

Unsere empirische Analyse hat zum ersten Mal die populistischen Einstellungen der Schweizer Stimmbevölkerung unter die Lupe genommen. Anhand von Befragungsdaten, die im Rahmen der Schweizer Wahlstudie Selects von 2015 erhoben wurden, haben wir uns auf die ideologischen Determinanten fokussiert. Dabei haben wir von einer Links-Rechts-Skala Gebrauch gemacht, auf der sich die befragten Personen von 0 (ganz links) bis 10 (ganz rechts) positionieren konnten.

Grafik 1: Höhe der populistischen Einstellungen nach der individuellen Positionierung auf der Links-Rechts-Skala

Wie der Grafik 1 entnommen werden kann, tritt ein klares Muster zutage. Der Grad an populistischen Einstellungen (vgl. Box) nimmt in der Tendenz zu, je weiter rechts sich die befragten Personen positionieren. Der höchste Durchschnittswert ist denn auch bei jenen festzustellen, die sich am rechten Rand des ideologischen Spektrums verorten.

Norden vs. Süden

Bemerkenswerterweise kontrastiert die Rechtslastigkeit von populistischen Einstellungen in der Schweiz mit den Ergebnissen von zwei Studien, die in Griechenland und Spanien durchgeführt wurden. In beiden Fällen stiegen die Populismus-Werte je weiter links sich die befragten Personen einstuften. Wie lässt sich dieser Gegensatz erklären?

In den krisengeschüttelten Ländern Südeuropas ist es linkspopulistischen Parteien wie Podemos und SYRIZA gelungen, durch die Mobilisierung von wirtschaftlichen Schwierigkeiten Wahlerfolge zu erzielen. Demgegenüber sind im Norden, wo die Wirtschaftskrise weit milder ausfiel, identitätsbezogene Fragen von Bedeutung, was sich insbesondere in der Ausländerpolitik äussert. Somit dürften populistische Einstellungen in dieser Region Westeuropas primär von der radikalen Rechten beeinflusst werden.

In Einklang mit dieser Sichtweise stehen auch die übrigen Hauptergebnisse unserer Studie. So weisen Männer in der Deutschschweiz mit tiefem Bildungsniveau eine erhöhte Wahrscheinlichkeit aus, populistische Einstellungen zu haben. Diese soziodemografischen Eigenschaften entsprechen dem Wählerprofil der Schweizerischen Volkspartei, der grössten populistischen Partei des Landes.

Messung von populistischen Einstellungen
Im Rahmen der Befragungen der Schweizer Wahlstudie Selects zu den eidgenössischen Wahlen von 2015 wurden die Teilnehmenden mit folgenden vier populistischen Aussagen konfrontiert:

  • Das Volk und nicht die Politikerinnen und Politiker sollten die wichtigen politischen Entscheide treffen
  • Die Schweiz würde profitieren, wenn die Meinung des Volkes und nicht der Eliten stärker berücksichtigt würde
  • Politikerinnen und Politiker vertreten vor allem ihre eigenen Interessen und nicht jene des Volkes
  • Politikerinnen und Politiker interessieren sich nicht wirklich dafür, was Leute wie ich denken

Die befragten Personen wurden gebeten, ihre Zustimmung zu diesen Aussagen anzugeben, wobei eine Skala von 1 (stimme überhaupt nicht zu) bis 5 (stimme voll und ganz zu) zur Anwendung gelangte. Da anhand einer Mokken-Analyse ermittelt wurde, dass die Antworten auf die vier Fragen eine hierarchische Skala bilden, wurde ein additiver Index gebildet, der von 0 bis 16 reicht.


Referenz:

Bernhard, Laurent und Regula Hänggli (2018). Who Holds Populist Attitudes? Evidence from Switzerland. Swiss Political Science Review, 24(4).

Literatur:

  • Bernhard, Laurent und Regula Hänggli (2018). The Emotional Underpinnings of Populism: How Anger and Fear Affect Populist Attitudes. Swiss Political Science Review 24(4): XYZ-XYZ.
  • Rico, Guillem, Marc Guinjoan und Eva Anduiza (2017). The Emotional Underpinnings of Populism: How Anger and Fear Affect Populist Attitudes. Swiss Political Science Review 23(4): 444-461.
  • Tsatsanis, Emmanouil, Ioannis Andreadis und Efticihia Teperoglou (2017). Populism From Below: The Ideological and Societal Correlates of Populist Attitudes in Greece. Unveröffentlichter Artikel.

Bild: rawpixel.com