1

Viele Vorstösse, wenig Wirkung? Nutzung und Erfolg parlamentarischer Instrumente in der Bundesversammlung

Jonas Brüschweiler, Adrian Vatter
1st Oktober 2018

Die Auslösung von Gesetzen gilt als die wichtigste und anspruchsvollste Aufgabe des Parlaments. Der Beitrag geht der Frage nach der Nutzung und dem Erfolg bzw. Misserfolg von parlamentarischen Instrumenten nach, aber auch, wie sich die Nutzung der einzelnen Instrumente der Bundesversammlung über die Zeit verändert hat und wie sich der Gebrauch auf die verschiedenen Fraktionen, Politikfelder und Einreichungsarten verteilt.

Unsere Studie zeigt auf, dass die weit verbreitete Hypothese der steigenden Vorstossflut (Graf 1991, Wirz und Vatter 2014) zutrifft und heute alle Instrumente mit Ausnahme der Anfrage häufiger genutzt werden als Mitte der 1990er-Jahre (siehe Abbildung 1). Die wesentlichen Gründe dafür sind die Einführung der ständigen parlamentarischen Kommissionen sowie der Ausbau der parlamentarischen Initiativrechte (Lüthi 2014).

Abbildung 1: Nutzung der parlamentarischen Vorstösse, 1994-2015

Unsere Daten weisen im Weiteren eine besonders intensive Nutzung der parlamentarischen Instrumente durch die Polparteien SVP und SP nach. Allerdings haben die einzelnen Parteien im Verlaufe der Zeit unterschiedliche Vorlieben entwickelt. Bei den von einzelnen Parlamentsmitgliedern eingereichten Postulaten, Motionen und parlamentarischen Initiativen ist die SP besonders aktiv. Demgegenüber setzt die FDP besonders auf Fraktionspostulate und die SVP auf die Fraktionsmotionen und -initiativen.

Die Auswertungen machen zudem deutlich, dass die Vorstösse in Wahljahren weniger oft eingesetzt werden als in Jahren ohne eidgenössischen Wahltermin. In besonders deutlichem Masse trifft dies bei den Anfragen, Interpellationen und Postulaten zu.

Ebenfalls deutlich bestätigt sich die Annahme, wonach der Nationalrat bei der Einreichung von Vorstössen viel aktiver ist als der Ständerat, während es sich beim Erfolgsgrad gerade umgekehrt verhält. Dies ist auf die grössere parteipolitische Homogenität und das regierungstreuere Verhalten der Zweiten Kammer zurückzuführen.

Polparteien sind weniger erfolgreich als Mitteparteien

Die empirischen Analysen über die Erfolgsaussichten der verschiedenen Fraktionen zeigen zudem auf, dass die Erfolgsquoten der Polparteien meist signifikant geringer ausfallen als bei den übrigen Parteien. Umgekehrt erweist sich vor allem die CVP-Fraktion als besonders mehrheitsfähig und erfolgreich. Dies lässt sich mit ihrer Position als bürgerliche Mittepartei und ihrer Nähe zum Medianparlamentarier begründen sowie mit ihren vielfältigen Koalitionsmöglichkeiten nach links und rechts, um Mehrheiten in den beiden Räten zu beschaffen. In Bezug auf den Erfolgsgrad von Motionen und parlamentarischen Initiativen hat die CVP den Spitzenplatz allerdings erst in den 2000er-Jahren von der FDP übernommen.

Kommissionsvorstösse sind für alle parlamentarischen Instrumente signifikant und deutlich erfolgreicher als Fraktions- und Einzelvorstösse. Die repräsentative Zusammensetzung der Kommissionen scheinen damit einen mässigenden Effekt auf den Inhalt der Vorstösse auszuüben, was die Unterstützung über die Parteigrenzen hinweg fördert. Zudem haben Kommissionsvorstösse schon eine erste wichtige Hürde genommen, wenn sie von der Mehrheit der Kommission unterstützt werden, weshalb dann häufig auch die Unterstützung in den Räten folgt.

Deutlich sichtbar ist schliesslich die abnehmende Erfolgsquote bei steigendem Wirkungsgrad eines parlamentarischen Instruments: je wirkungsvoller ein Instrument ist, desto geringer ist die Aussicht auf Erfolg. So hat die parlamentarische Initiative als stärkstes Instrument der Legislative eine Erfolgsquote von nur rund 14 Prozent, die Motion ist in rund 18 Prozent aller Fälle erfolgreich und das Postulat weist mit 43 Prozent die grösste Erfolgsaussicht aus.

Die Legislative wurde über die Zeit selbstbewusster

Zusammenfassend macht unser Beitrag deutlich, dass das Bundesparlament heute seine Instrumente häufiger nutzt als noch vor 15 Jahren, was Ausdruck einer zunehmend selbstbewussten und selbstständigen Legislative sowie eine Folge des modernisierten Parlamentsrechts ist.

Gleichzeitig stehen den stark gestiegenen parlamentarischen Aktivitäten eher bescheidene direkte Erfolge gegenüber. Ein wichtiger Grund hierfür liegt darin, dass die grosse Mehrzahl der parlamentarischen Vorstösse nicht von den Mitteparteien, sondern von den linken und rechten Polparteien zur eigenen Profilierung eingereicht wird. Die höchste Erfolgswahrscheinlichkeit besteht, wenn parlamentarische Vorstösse von einer Kommission oder der CVP-Fraktion stammen und wenn sie zunächst im Ständerat behandelt werden. Nicht zu unterschätzen sind aber auch die vielfältigen indirekten Wirkungen der verworfenen Vorstösse, die im Fokus zukünftiger Untersuchungen stehen sollten.

Daten und Vorgehensweise
Die Daten stammen von den Parlamentsdiensten des Bundes. Für die Studie wurden alle Vorstösse berücksichtigt, die von 1994 bis 2014 bzw. 2015 eingereicht wurden. Insgesamt wurden 3210 Anfragen, 8835 Interpellationen, 3321 Postulate, 7112 Motionen und 1763 parlamentarische Initiativen berücksichtigt. Neben einer deskriptiven Auswertung wurden auch logistische Regressionsschätzungen zu den Erfolgsfaktoren durchgeführt.


Literatur

  • Graf, Martin (1991). Motion und Parlamentarische Initiative. Untersuchungen zu ihrer Handhabung und politischen Funktion. In: Parlamentsdienste (Hg.]‚ Das Parlament - «Oberste Gewalt des Bundes»? Festschrift der Bundesversammlung zur 700-]ahr-Feier der Eidgenossenschaft: 203-221. Bern/Stuttgart: Haupt.
  • Lüthi, Ruth (2014). Das Parlament. In: Knoepfel, Peter; Papadopoulos, Yannis; Sciarini, Pascal; Vatter, Adrian; Hausermann, Silja [Hg.], Handbuch der Schweizer Politik, 5. Auflage: 169-192. Zürich: NZZ Libro.
  • Wirz, Rolf und Adrian Vatter (2014). Die Parlamentarische Initiative in der Bundesversammlung: ein wirkungsloses Instrument der Polparteien? Parlament. Mitteilungsblatt der Schweizerischen Gesellschaft für Parlamentsfragen 18(2): 30-40.

 

Referenz

Brüschweiler, Jonas und Adrian Vatter (2018). Viele Vorstösse, wenig Wirkung? Nutzung und Erfolg parlamentarischer Instrumente in der Bundesversammlung, in: Vatter, Adrian (Hg.): Das Parlament in der Schweiz. Macht und Ohnmacht der Volksvertretung. Zürich: NZZ Libro.