easyvote informiert verständlicher als der Bundesrat

Das rote Bun­des­büch­lein, in wel­chem der Bun­des­rat vor Abstim­mun­gen die Vor­la­ge erklärt, wird von der Mehr­heit der Stimm­be­völ­ke­rung weni­ger gut ver­stan­den als die Infor­ma­tio­nen, die easy­vo­te zur Ver­fü­gung stellt. Am bes­ten kom­men aber erklä­ren­de Vide­os an. Dies zeigt eine Stu­die der Uni­ver­si­tät Bern, wel­che die Abstim­mungs­in­for­ma­tio­nen vergleicht.

Ver­si­on française

Die poli­ti­sche Par­ti­zi­pa­ti­on der Bevöl­ke­rung ist aus­schlag­ge­bend für eine funk­tio­nie­ren­de Demo­kra­tie (Milic et al. 2014: 379). Weil in der Schweiz in der Regel aber nicht ein­mal die Hälf­te der Stimm­be­rech­ti­gen an Wah­len und Abstim­mun­gen teil­nimmt, wird die demo­kra­ti­sche Legi­ti­ma­ti­on der Ent­schei­dun­gen oft kri­tisch dis­ku­tiert (Milic et al. 2014: 380, Rothen­büh­ler et al. 2012: 4). Die Fähig­keit, sich eine Mei­nung bil­den zu kön­nen, ist aber eine Vor­aus­set­zung, um an einem Urnen­gang teil­zu­neh­men. Mitt­ler­wei­le weiss man: wem es schwer­fällt, sich etwa bei einer Abstim­mungs­vor­la­ge für ein Ja oder Nein zu ent­schei­den, wird mit hoher Wahr­schein­lich­keit nicht an der Abstim­mung teilnehmen.

Doch wie kann sich die Stimm­be­völ­ke­rung über eine Sach­vor­la­ge infor­mie­ren? In den 1970er Jah­ren ent­schied das Stimm­volk, dass der Bun­des­rat jeweils vor jeder Abstim­mung eine „kur­ze, sach­li­che“ Abstim­mungs­er­läu­te­rung publi­ziert. Seit 1977 ist somit das soge­nann­te „Bun­des­büch­lein”[1] Stan­dard. Der Bun­des­rat erfüllt dar­über sei­ne Infor­ma­ti­ons­pflicht.[2] Aller­dings wird das Bun­des­büch­lein immer wie­der kri­ti­siert. Wäh­rend man­che den Inhalt anzwei­feln und ins­be­son­de­re die Fra­ge stel­len, ob das Bun­des­büch­lein neu­tral infor­miert, argu­men­tie­ren ande­re, dass die­se bun­des­rät­li­chen Infor­ma­tio­nen viel zu kom­plex und für vie­le Stimm­bür­ge­rin­nen und Stimm­bür­ger nicht ver­ständ­lich sei­en. An die­sem Punkt setzt easy­vo­te an. Easy­vo­te ist ein Pro­gramm des Dach­ver­bands Schwei­zer Jugend­par­la­ment (DSJ), wel­ches sich zum Ziel gesetzt hat, mit ein­fach ver­ständ­li­cher und neu­tra­ler Infor­ma­ti­on v.a. jun­ge Stimm­bür­ge­rin­nen und Stimm­bür­ger anzu­spre­chen und zur poli­ti­schen Betei­li­gung zu motivieren.

Metho­di­sches Vorgehen
Bis­her wur­de nie sys­te­ma­tisch unter­sucht, wie die unter­schied­li­chen Abstim­mungs-Infor­ma­tio­nen bei der Bevöl­ke­rung ankom­men und ob easy­vo­te tat­säch­lich als ein­fa­cher und ver­ständ­li­cher wahr­ge­nom­men wird als die Infor­ma­tio­nen des Bun­des­rats, wel­che von der Bun­des­kanz­lei vor­be­rei­tet und her­aus­ge­ge­ben wer­den. Wir sind die­sen Fra­gen im Rah­men einer Bevöl­ke­rungs­um­fra­ge und basie­rend auf Umfra­ge­ex­pe­ri­men­ten nach­ge­gan­gen. Kon­kret haben wir den Befrag­ten zufäl­lig ent­we­der Infor­ma­tio­nen des Bun­des­rats oder von easy­vo­te zuge­wie­sen. Sowohl easy­vo­te wie der Bun­des­rat pro­du­zie­ren sowohl eine Bro­schü­re wie auch einen Video-Clip. Die Befrag­ten wur­den anschlies­send gebe­ten, die erhal­te­nen Abstim­mungs­in­for­ma­tio­nen nach ver­schie­de­nen Kri­te­ri­en zu bewer­ten. In die­sem Arti­kel soll dar­ge­stellt wer­den, wie sich die Ergeb­nis­se in Bezug auf die Kom­ple­xi­tät, die Nütz­lich­keit der Infor­ma­tio­nen und die Glaub­wür­dig­keit unter­schei­den und wel­che Impli­ka­tio­nen sich dar­aus ablei­ten lassen.

Mit unse­rem Vor­ge­hen kön­nen wir natür­lich nicht tes­ten, wie und ob die ver­schie­de­nen Infor­ma­tio­nen in der Rea­li­tät die Infor­miert­heit der Bür­ge­rin­nen und Bür­ger sowie  deren Par­ti­zi­pa­ti­on beein­flus­sen. Aber unse­re Ergeb­nis­se geben über eine grund­le­gen­de Vor­aus­set­zung für eine sol­che Wir­kung Aus­kunft, näm­lich wie die Bevöl­ke­rung auf die­se Infor­ma­tio­nen über­haupt reagiert. Nur wenn die Infor­ma­tio­nen von Bun­des­rat und easy­vo­te als ver­ständ­lich, hilf­reich und aus­ge­wo­gen emp­fun­den wer­den, kön­nen wir erwar­ten, dass die Leu­te vor Abstim­mun­gen die­se Infor­ma­tio­nen auch tat­säch­lich nutzen.

Gütekriterien von Abstimmungsinformationen

Um das Bun­des­büch­lein und easy­vo­te zu ver­glei­chen, betrach­ten wir drei Gütekriterien:

  • Die Prä­sen­ta­ti­on der Infor­ma­tio­nen: Sind die Infor­ma­tio­nen anspre­chend und ver­ständ­lich? Dies dürf­te eine Vor­aus­set­zung sein, damit das Infor­ma­ti­ons­ma­te­ri­al von den Bür­ge­rin­nen und Bür­gern genutzt wird und ihnen hilft, eine kom­pe­ten­te Ent­schei­dung zu treffen.
  • Der Nut­zen der bereit­ge­stell­ten Infor­ma­tio­nen: Wer­den hilf­rei­che und rele­van­te Infor­ma­tio­nen ver­mit­telt? Die­sem Kri­te­ri­um liegt der Gedan­ke zugrun­de, dass Abstim­mungs­in­for­ma­tio­nen für die per­sön­li­che Ent­scheid­fin­dung rele­vant und hilf­reich sein sollen.
  • Die Aus­ge­wo­gen­heit der Infor­ma­tio­nen: Wird fair über bei­de Sei­ten infor­miert? Gera­de bei den Abstim­mungs­in­for­ma­tio­nen des Bun­des­rats, wel­che von vie­len als Infor­ma­ti­ons­quel­le genutzt wird, ist der Anspruch an ein aus­ge­wo­ge­nes, voll­stän­di­ges und kor­rek­tes Infor­mie­ren beson­ders hoch, damit die Glaub­wür­dig­keit der Infor­ma­ti­ons­quel­len gewahrt bleibt und die Legi­ti­mi­tät des demo­kra­ti­schen Ent­scheids gewähr­leis­tet wer­den kann. Aber auch easy­vo­te stellt sich die­se Ansprüche.
Die Präsentation der Informationen: Video-Clips sind einfacher und ansprechender als Broschüren

Hin­sicht­lich der Prä­sen­ta­ti­on der Infor­ma­tio­nen betrach­ten wir zwei Indi­ka­to­ren: Einer­seits als wie kom­pli­ziert eine Infor­ma­ti­on wahr­ge­nom­men wird und ande­rer­seits, wie anspre­chend sie den Befrag­ten erscheint (Abbil­dung 1).

Auf­fal­lend ist, dass das Bun­des­büch­lein von einer rela­ti­ven Mehr­heit der Befrag­ten als (eher) kom­pli­ziert ein­ge­schätzt wird, wäh­rend die ande­ren drei Abstim­mungs­in­for­ma­tio­nen als mehr­heit­lich (eher) nicht kom­pli­ziert befun­den wer­den. Am wenigs­ten kom­pli­ziert sind dabei die bei­den Video-Clips, wobei der Clip von easy­vo­te als noch weni­ger kom­pli­ziert ein­ge­stuft wird als der Clip des Bun­des­rats. Der Bun­des­rat infor­miert somit kom­pli­zier­ter als easy­vo­te, die Vide­os sind aber grund­sätz­lich weni­ger kom­pli­ziert als die Broschüren.

Auch bei der opti­schen Ein­schät­zung der Abstim­mungs­in­for­ma­tio­nen zeigt sich ein ähn­li­ches Bild. Die Video-Clips von easy­vo­te und Bun­des­rat wer­den als am anspre­chends­ten bewer­tet (wobei sich kein sta­tis­ti­scher Unter­schied zwi­schen den Clips der bei­den Anbie­ter fest­stel­len lässt). Die Bro­schü­ren wer­den dem­ge­gen­über als signi­fi­kant weni­ger anspre­chend ein­ge­schätzt. Am wenigs­ten anspre­chend wird das Bun­des­büch­lein bewer­tet, wäh­rend die easy­vo­te Bro­schü­re bes­ser abschneidet.

Abbildung 1: Die Präsentation der Abstimmungsinformationen im Vergleich

Bemerkungen: Obere Grafik: Alle Unterschiede zwischen den Treatments sind gemäss dem Wilcoxon-Test auf dem 95% Niveau signifikant. 
Untere Grafik: Alle Unterschiede zwischen den Treatments sind gemäss dem Wilcoxon-Test auf dem 95% Niveau signifikant, ausgenommen vom Unterschied zwischen den beiden Video-Clips.

Easy­vo­te erfüllt somit sein Ziel, ein­fa­che und anspre­chen­de Infor­ma­tio­nen zu ver­mit­teln. Der Unter­schied ist v.a. bezüg­lich der Bro­schü­ren aus­ge­prägt, wäh­rend der Bun­des­rat mit dem Video-Clip über ein Instru­ment ver­fügt, wel­ches in Bezug auf Ein­fach­heit und Optik mit den Infor­ma­tio­nen von easy­vo­te mit­hal­ten kann. Inter­es­sant ist, dass sich der auf­ge­zeig­te easyvote-„Vorteil“ nicht nur auf die Ziel­grup­pe von easy­vo­te, d.h. die jün­ge­ren Stimm­be­rech­tig­ten beschränkt. In der Tat fin­den sich die unter­schied­li­chen Wahr­neh­mun­gen hin­sicht­lich der Attrak­ti­vi­tät und der Kom­pli­ziert­heit der Infor­ma­tio­nen auch bei älte­ren Befrag­ten. Zwar kommt die Bro­schü­re von easy­vo­te bei der älte­ren Alters­ko­hor­te etwas schlech­ter an als bei den jün­ge­ren Befrag­ten, jedoch noch immer signi­fi­kant bes­ser als die Bro­schü­ren vom Bundesrat.

Der Nutzen der Informationen: Alle Abstimmungsinformationen sind grundsätzlich hilfreich

Anspre­chen­de und ein­fa­che Infor­ma­tio­nen sind das zen­tra­le Ziel von easy­vo­te. Die wesent­li­che Fra­ge, die sich stellt, ist, ob die­se Ein­fach­heit und das anspre­chen­de Design zu Las­ten des Infor­ma­ti­ons­ge­halts gehen. Unse­re Daten lie­fern dazu eine ers­te wich­ti­ge Ant­wort (sie­he Abbil­dung 2): Alle vier Abstim­mungs­in­for­ma­tio­nen wer­den von einer deut­li­chen Mehr­heit der Befrag­ten als (eher) hilf­reich erach­tet. Dabei gibt es kei­ne signi­fi­kan­ten Unter­schie­de zwi­schen den Anbie­tern, sprich zwi­schen easy­vo­te und dem Bun­des­rat. Jedoch wer­den die bei­den Infor­ma­ti­ons­ty­pen unter­schied­lich hilf­reich ein­ge­schätzt: Die Video-Clips wer­den als signi­fi­kant hilf­rei­cher bewer­tet als die Broschüren.

Abbildung 2: Der Nutzen der Abstimmungsinformationen im Vergleich

Bemerkung: Alle Unterschiede zwischen den Treatments sind gemäss dem Wilcoxon-Test auf dem 95% Niveau signifikant, ausgenommen von den Unterschieden zwischen den jeweils gleichen Informationstypen. 
Die Ausgewogenheit: Easyvote informiert glaubwürdiger und ausgewogener als der Bundesrat

Der Bun­des­rat wird, wie bereits erwähnt, immer wie­der dafür kri­ti­siert, im Bun­des­büch­lein ein­sei­tig zu infor­mie­ren. Doch wie steht es dies­be­züg­lich bei easy­vo­te? Einer­seits ist die „Neu­tra­li­tät“ der Infor­ma­tio­nen ein zen­tra­les Ziel von easy­vo­te, ande­rer­seits könn­te aber eine exter­ne Orga­ni­sa­ti­on wie der DSJ von der Bevöl­ke­rung als poli­tisch moti­viert und gewis­sen Inter­es­sen ver­pflich­tet wahr­ge­nom­men werden.

Unse­re Befun­de doku­men­tie­ren Unter­schie­de sowohl zwi­schen den bei­den Anbie­tern von Infor­ma­tio­nen wie auch zwi­schen den Infor­ma­ti­ons­ty­pen (Abbil­dung 3). Zunächst wird das Bun­des­büch­lein des Bun­des­rats als signi­fi­kant weni­ger glaub­wür­dig ein­ge­schätzt als die easy­vo­te-Infor­ma­tio­nen. Inter­es­san­ter­wei­se wird der Video-Clip des Bun­des­rats dem­ge­gen­über als deut­lich glaub­wür­di­ger betrach­tet – nicht schlech­ter als der Clip von easyvote.

 

Abbildung 3: Die Ausgewogenheit der Abstimmungsinformationen im Vergleich

Bemerkungen: Obere Grafik: Alle Unterschiede zwischen den Treatments sind gemäss dem Wilcoxon-Test auf dem 95% Niveau signifikant, ausgenommen vom Unterschied zwischen den beiden Video-Clips.
Untere Grafik: Die Unterschiede zwischen den zwei Informationsanbietern sind gemäss dem Wilcoxon-Test auf dem 95% Niveau signifikant, nicht jedoch die Differenz zwischen Video-Clip und Broschüre des gleichen Anbieters.

Auch bei der Fra­ge, inwie­fern die bei­den Anbie­ter fair über die Pro- und Kon­tra-Sei­te infor­mie­ren, schnei­den die easy­vo­te-Infor­ma­tio­nen signi­fi­kant bes­ser ab als die Infor­ma­tio­nen des Bun­des­rats. Der Unter­schied zwi­schen den Infor­ma­ti­ons­ty­pen erweist sich hier jedoch als weni­ger rele­vant: Sowohl die Bro­schü­re als auch der Video-Clip von easy­vo­te wer­den als fai­rer ein­ge­schätzt als die bei­den Infor­ma­ti­ons­ty­pen des Bundesrats.

Dass easy­vo­te-Infor­ma­tio­nen als glaub­wür­di­ger und fai­rer über bei­de Sei­ten wahr­ge­nom­men wer­den als jene des Bun­des­rats, mag damit zusam­men­hän­gen, dass gera­de das Bun­des­büch­lein in letz­ter Zeit immer wie­der in der Kri­tik stand, zu stark die Regie­rungs­po­si­ti­on zu ver­tre­ten. Easy­vo­te kann hier offen­sicht­lich als unab­hän­gi­ge Orga­ni­sa­ti­on auf­trump­fen. Gleich­zei­tig – und das mag über­ra­schen – vari­iert die wahr­ge­nom­me­ne Glaub­wür­dig­keit nach Infor­ma­ti­ons­art, sprich die Video-Clips wer­den als glaub­wür­di­ger bewer­tet als die Text-Infor­ma­tio­nen. Erneut kann der Bun­des­rat mit ihrem Video-Mate­ri­al durch­aus mit easy­vo­te mit­hal­ten. Letz­te­res Ergeb­nis lässt sich dahin gehend inter­pre­tie­ren, dass das Glaub­wür­dig­keits­pro­blem des Bun­des­rats in ers­ter Linie ein Glaub­wür­dig­keits­pro­blem des Bun­des­büch­leins dar­stellt. Alles was davon abweicht und somit auch Bestre­bun­gen des Bun­des­rats, neue Infor­ma­ti­ons­ka­nä­le zu ver­wen­den, wer­den in der Bevöl­ke­rung hin­ge­gen durch­aus aner­kannt und posi­tiv bewertet.

 

Fazit

Das Ziel von easyo­te, ein­fa­che und anspre­chen­de Infor­ma­tio­nen anzu­bie­ten, funk­tio­niert. Dabei spre­chen die­se Gege­ben­hei­ten längst nicht nur jun­ge Men­schen an, auf wel­che easy­vo­te sei­ne Infor­ma­tio­nen zuge­schnit­ten hat. Viel­mehr scheint das Kon­zept auch bei älte­ren Wäh­le­rin­nen und Wäh­lern auf Gegen­lie­be zu stos­sen. Vor die­sem Hin­ter­grund sind aktu­el­le Plä­ne von Bun­des­rat und Bun­des­kanz­lei zu begrüs­sen, das Bun­des­büch­lein attrak­ti­ver zu gestal­ten. Gleich­zei­tig könn­te es für easy­vo­te eine über­le­gens­wer­te Stra­te­gie sein, ihre Infor­ma­tio­nen auch unter älte­ren Bür­ge­rin­nen und Bür­ger stär­ker zu streuen.

Zudem wei­sen die Resul­ta­te auf ein gewis­ses Glaub­wür­dig­keits­pro­blem des Bun­des­rats hin – und v.a. des Bun­des­büch­leins. Wäh­rend die Schweiz als Para­de­bei­spiel für Regie­rungs­ver­trau­en gilt und der Bun­des­rat in Umfra­gen zu den ver­trau­ens­wür­digs­ten Insti­tu­tio­nen gehört (Szvirc­sev Tresch et al. 2017: 84), ste­hen die Befun­de in Ein­klang mit jün­ge­ren Ent­wick­lung in Rich­tung stär­ke­rer Pola­ri­sie­rung und «Anti-Establishment»-Rhetorik (Armin­ge­on und Eng­ler 2015). Das Bun­des­büch­lein ist ein Para­de­bei­spiel für «das, was die in Bern sagen» und stösst damit bei einem nicht unwe­sent­li­chen Anteil der Befrag­ten auf Skep­sis. Die­se Glaub­wür­dig­keit (wie­der) her­zu­stel­len, dürf­te nicht nur wich­tig sein, um anste­hen­de Reform­pro­jek­te erfolg­reich über die Büh­ne zu brin­gen, son­dern könn­te auch – vor dem Hin­ter­grund unse­rer Resul­ta­te – die Infor­ma­ti­ons­ver­mitt­lung und ‑ver­ar­bei­tung in Abstim­mungs­kam­pa­gnen beeinflussen.

Ganz gene­rell erwei­sen sich die Video-Clips von Bun­des­kanz­lei und easy­vo­te als Erfolgs­mo­dell. Sowohl das Video von easy­vo­te als auch das Video der Bun­des­kanz­lei schnei­den in der Ten­denz bes­ser ab als die Bro­schü­ren. Eine Erklä­rung dafür könn­te sein, dass Bil­der und Vide­os vom mensch­li­chen Gehirn in kür­ze­rer Zeit und mit gerin­ge­rem Auf­wand ver­ar­bei­tet wer­den als Tex­te (Esch und Michel 2009: 715 f.). Hin­zu kommt, dass Vide­os ins digi­ta­le Zeit­al­ter pas­sen, in wel­chem gera­de kur­ze Infor­ma­tio­nen in Bild und/oder Ton beson­ders popu­lär sind. Durch die vor­lie­gen­de Unter­su­chung wird das Poten­ti­al der Abstim­mungs­in­for­ma­ti­on durch Vide­os klar. Für bei­de Anbie­ter dürf­te sich des­halb die Fort­füh­rung der fil­mi­schen Stra­te­gie sowie ein Fokus auf die wei­te­re Ver­brei­tung der von ihnen pro­du­zier­ten Video-Clips loh­nen. Die unter­schied­li­che Bewer­tung von Video-Clip des Bun­des­ra­tes und Bun­des­büch­lein deu­ten auch dar­auf­hin, dass das Schaf­fen von höhe­rem Ver­trau­en in bun­des­rät­li­che Infor­ma­tio­nen kein aus­sichts­lo­ses Unter­neh­men ist, son­dern Bestre­bun­gen des Bun­des, zeit­ge­mäs­se Kanä­le und Infor­ma­ti­ons­for­men zu nut­zen, durch­aus geschätzt und posi­tiv bewer­tet werden.

Infor­ma­tio­nen, die beim Publi­kum gut ankom­men, sind zwar eine wich­ti­ge Grund­vor­aus­set­zung dafür, damit die­se die Infor­miert­heit der Stimm­be­völ­ke­rung posi­tiv beein­flus­sen. Aller­dings ist damit jedoch noch nicht gewähr­leis­tet, dass sich Wäh­le­rin­nen und Wäh­ler in rea­len Abstim­mungs­kam­pa­gnen und aus­ser­halb eines Umfra­ge­kon­texts tat­säch­lich mit die­sen Infor­ma­tio­nen beschäf­ti­gen. Die Stimm­bür­ger­schaft dafür zu moti­vie­ren, ist des­halb die gros­se Her­aus­for­de­rung, wel­che sich unab­hän­gig von Infor­ma­ti­ons­an­bie­ter und Infor­ma­ti­ons­typ stellt.

 

Daten
Im Vor­feld der Refe­ren­dums­ab­stim­mung vom 21. Mai 2017 über das neue Ener­gie­ge­setz wur­de eine Bevöl­ke­rungs­be­fra­gung mit drei Wel­len durch­ge­führt. Dabei wur­den die­sel­ben Bür­ger und Bür­ge­rin­nen vor dem Start der Abstim­mungs­kam­pa­gne, einen Monat vor der Abstim­mung (Mit­te April) und in der Woche vor der Abstim­mung (Mit­te März) zu ver­schie­de­nen für die Abstim­mung rele­van­ten The­men befragt. Die online Umfra­ge wur­de in Deutsch, Fran­zö­sisch und Ita­lie­nisch ange­bo­ten. Quo­ten bezüg­lich Alter, Geschlecht und Wohn­re­gi­on sicher­ten eine mög­lichst reprä­sen­ta­ti­ve Zusam­men­set­zung des Sam­ples bezo­gen auf die­se drei Kri­te­ri­en. Die Fall­zahl der ers­ten Wel­le betrug 2’800 Befrag­te, die Zahl sank bei der zwei­ten auf 1‘800 und drit­ten Wel­le auf rund 1’000 Befrag­te. Das hier prä­sen­tier­te Infor­ma­ti­ons-Expe­ri­ment war Teil der zwei­ten Wel­le. Dabei wur­den den Teil­neh­men­den unter­schied­li­chen Tre­at­ments in Form von Abstim­mungs­un­ter­la­gen über die bevor­ste­hen­de Abstim­mung gezeigt. Die Umfra­ge wur­de vom SNF im Rah­men des NFP 71 finanziert.

In wei­te­ren, hier nicht wei­ter bespro­che­nen Ana­ly­sen wur­de getes­tet, ob sich das Ant­wort­ver­hal­ten oder die Ein­schät­zung der unter­schied­li­chen Infor­ma­tio­nen zwi­schen den Sprach­grup­pen unter­schei­det. Dabei konn­ten nur gering­fü­gi­ge Dif­fe­ren­zen fest­ge­stellt wer­den. Ins­ge­samt zeigt sich eine leich­te Ten­denz der Deutsch­schwei­ze­rin­nen und Deutsch­schwei­zer, die neue­ren For­men der Abstim­mungs­in­for­ma­tio­nen wie die Clips sowie von easy­vo­te etwas posi­ti­ver ein­zu­schät­zen als die die Befrag­ten der Latei­ni­schen Schweiz.

 


Refe­ren­zen:

  • Armin­ge­on, Klaus und Eng­ler, Sarah (2015). Pola­ri­sie­rung als Stra­te­gie. Die Pola­ri­sie­rung des Schwei­zer Par­tei­en­sys­tems im inter­na­tio­na­len Ver­gleich. In: Frei­tag, Mar­kus und Vat­ter, Adri­an (eds.) Wah­len und Wäh­ler­schaft in der Schweiz. Poli­tik und Gesell­schaft in der Schweiz: (3): 355–379. Zürich: Ver­lag Neue Zür­cher Zeitung
  • Esch, Franz-Rudolf und Michel Manue­la (2009): Visu­el­le Rei­ze in der Kom­mu­ni­ka­ti­on. In: Bruhn Man­fred; Esch Franz-Rudolf und Lang­ner Tobi­as (eds) Hand­buch Kom­mu­ni­ka­ti­on. Gabler.
  • Johann, David (2009): Eine Betrach­tung der Wahl­be­tei­li­gung bei der Bun­des­tags­wahl 2005 auf Basis von Ratio­nal-Choice-Kon­zep­ten. In: Küh­nel, Stef­fen, Nie­der­may­er, Oskar und West­le, Bet­ti­na (eds) Wäh­ler in Deutsch­land. Wie­sen­ba­den: VS Ver­lag für Sozialwissenschaften.
  • Leven­dus­ky, Mat­thew (2011): Rethin­king the Role of Poli­ti­cal Infor­ma­ti­on. Public Opi­ni­on Quar­ter­ly. 75 (1): 42–64.
  • Milic, Tho­mas; Rous­se­lot, Bian­ca und Vat­ter, Adri­an (2014): Hand­buch der Abstim­mungs­for­schung. Zürich: Ver­lag Neue Zür­cher Zeitung.
  • Nor­din, Mat­thi­as (2011): Do Voters Vote in Line with their Poli­cy Pre­fe­ren­ces? – The Role of Infor­ma­ti­on. CESi­fo Eco­no­mic Stu­dies. 60 (4): 681–721.
  • Rothen­büh­ler, Mar­ti­na; Ehr­ler, Fran­zis­ka und Kissau, Kath­rin (2012): CH@YOUPART – Poli­ti­sche Par­ti­zi­pa­ti­on jun­ger Erwach­se­ner in der Schweiz. Lau­sanne: Schwei­zer Kom­pe­tenz­zen­trum Sozi­al­wis­sen­schaf­ten, FORS.
  • Szvirc­sev Tresch, Tibor et al. (2017): Sicher­heit 2017- Aussen‑, Sicherheits‑, und Ver­tei­di­gungs­po­li­ti­sche Mei­nungs­bil­dung im Trend. Zürich: ETH Zürich.

 

[1] Art. 11 Bun­des­ge­setz über die poli­ti­schen Rech­te vom 17. Dezem­ber 1976

[2] Das Enga­ge­ment von Bun­des­rat und Bun­des­ver­wal­tung im Vor­feld von eid­ge­nös­si­schen Abstim­mun­gen Bericht der Arbeits­grup­pe erwei­ter­te Kon­fe­renz der Infor­ma­ti­ons­diens­te (AG KID)

 

Foto: easy­vo­te

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