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Nein zu No Billag aus Angst vor Sendeschluss

Anke Tresch, Lukas Lauener, Laura Scaperrotta
19th April 2018

60 Prozent der Stimmenden glaubten nicht an ein Fortbestehen der SRG ohne Billag-Gebühren. Der Erhalt eines starken Service public in allen Landesregionen im Allgemeinen und der SRG im Besonderen waren denn auch die Hauptgründe für das deutliche Scheitern der No-Billag-Initiative. Einzig unter Sympathisantinnen und Sympathisanten der SVP legte eine knappe Mehrheit ein Ja in die Urne. Trotz der deutlichen Ablehnung der Initiative wünschen sich 58 Prozent der Stimmenden, dass sich die SRG reformiert und ihr Angebot reduziert. Dies zeigt die aktuelle Voto-Studie. 

VOTO

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Am deutlichsten war das Nein zur No-Billag-Initiative in den Anhängerschaften von Grünen, SP, GLP und CVP, die das Volksbegehren mit Nein-Stimmenanteilen zwischen 90 und 84 Prozent wuchtig ablehnten. Entsprechend der Parteiparole erzielte die Initiative bei den SVP-Sympathisierenden zwar eine Ja-Mehrheit. Sie fiel mit 54 Prozent allerdings knapp aus. Ein beträchtlicher Teil der SVP-Anhängerschaft wich von der Parteilinie ab. Personen, die sich linksaussen positionieren, lehnten die Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren mit 94 Prozent praktisch unisono ab. Das Anliegen stiess in der politischen Mitte und leicht rechts davon zwar auf mehr Gehör, verfehlte die Mehrheit aber auch dort deutlich (70% bzw. 65% Nein). Lediglich unter Stimmenden, die sich rechtsaussen verorten, waren die Meinungen zur No-Billag- Initiative tief gespalten (49% Ja-Anteil).

Ausgerechnet die vielzitierte «Generation Netflix» lehnte die Volksinitiative am deutlichsten ab. Über alle Alterskategorien gesehen war der Ja-Stimmenanteil in der Gruppe der 18- bis 29-Jährigen mit 20 Prozent am tiefsten. Am häufigsten sprachen sich die 40- bis 49-Jährigen für die No-Billag-Initiative aus (40% Ja- Anteil). Die SRG geniesst denn auch landesweit ein grosses Vertrauen: 73 Prozent der befragten Stimmberechtigten bringen ihr ein hohes oder gar sehr hohes Vertrauen entgegen. Weiter gaben 70 Prozent der Befragten an, das TV- oder Radio-Angebot der SRG täglich zu nutzen und 69 Prozent beurteilen die Qualität des angebotenen Programms als gut bis sehr gut.

Unter den Nein-Motiven dominierten der Wunsch nach dem Erhalt eines starken Service public in allen Landesteilen sowie die positive Bewertung der SRG und ihrer Leistungen. 43 Prozent der Nein-Stimmenden gaben ein Motiv im Zusammenhang mit dem Service public als Hauptgrund ihres Stimmentscheids an. Mit 26 Prozent wurden am zweithäufigsten explizit die SRG oder die Qualität ihrer Programme genannt. Für 36 Prozent der Initiativ-Befürwortenden war die Höhe der Billag-Gebühren der ausschlaggebende Grund ihres Entscheids. Ein Viertel äusserte zudem Kritik an der SRG sowie ihren Programmen als Hauptgrund der Initiativannahme. Dagegen wurden libertäre Argumente wie z.B. die Entscheidungsfreiheit bezüglich des eigenen Medienkonsums oder die Befreiung von Zwangsgebühren nur von 17 Prozent der Ja-Stimmenden als erstes genannt.

Den Initiativgegnern ist es gelungen, glaubhaft zu machen, dass bei einem Ja für die SRG Sendeschluss ist. So glaubten 60 Prozent der Stimmenden nicht an ein Fortbestehen der SRG ohne Billag-Gebühren. Trotz des wuchtigen Neins zur No-Billag-Initiative denkt aber eine Mehrheit (58%), dass die SRG zu gross geworden sei und ihr Angebot reduzieren soll. Überraschenderweise nimmt die Zustimmung zu diesem Argument ab, je jünger die Stimmenden sind. Unter den 18- bis 29-Jährigen stimmte eine Minderheit von 42 Prozent dem Argument zu, während es bei den Seniorinnen und Senioren zwei Drittel waren.

SVP-Sympathisierende am kritischsten gegenüber NFO 2021

Die Vorlage zur neuen Finanzordnung 2021 war unumstritten. In keiner einzigen Merkmalsgruppe fand sich eine Mehrheit gegen den Bundesbeschluss. Unter den Parteianhängerschaften waren Sympathisierende der SVP der NFO 2021 gegenüber am kritischsten eingestellt: Ein Drittel von ihnen votierte mit Nein. Die Stimmenden waren sich grossmehrheitlich einig, dass der Bund die Einnahmen aus der direkten Bundessteuer und der Mehrwertsteuer für die Erfüllung seiner Aufgaben brauche. So pflichteten 89 Prozent diesem Argument bei. Sogar unter den Nein-Stimmenden anerkannte eine Mehrheit von 59 Prozent die Wichtigkeit der beiden Einnahmequellen für den Bund. Das mit 20 Prozent am häufigsten genannte substanzielle Hauptargument gegen die NFO 2021 war eine grundsätzliche Abneigung gegenüber Steuern. Den Ja-Stimmenden ging es dagegen in erster Linie darum, die Finanzierung der Bundesaufgaben sowie die Kontinuität der bestehenden Finanzordnung zu sichern (26 bzw. 18% der genannten Hauptgründe).

Mit 54.8 Prozent war die Beteiligung am vergangenen Abstimmungssonntag überdurchschnittlich hoch. Sowohl junge als auch ältere Stimmberechtigte gingen häufiger an die Urne als gewöhnlich, die stärkere Beteiligung betraf somit alle Altersklassen gleichermassen. Dennoch blieb auch am 4. März eine überwiegende Mehrheit der 18- bis 29-jährigen Stimmberechtigten der Urne fern (65%). Im Vergleich zu anderen Abstimmungsvorlagen waren die Stimmenden im Fall der No-Billag-Initiative ausserordentlich gut informiert. Die hohe Informiertheit ist nicht zuletzt der einfach verständlichen und lebensnahen Abstimmungsfrage sowie dem überaus langen und intensiv geführten Abstimmungskampf geschuldet.


Zitierweise:

Anke Tresch, Lukas Lauener und Laura Scaperrotta (2018). VOTO-Studie zur eidgenössischen Volksabstimmung vom 4. März 2018. FORS, ZDA, LINK: Lausanne/Aarau/Luzern.

Für Fragen zur Studie:

Dr. Anke Tresch, 076 459 49 39, ankedaniela.tresch@unil.ch.


Die VOTO-Studie
Die VOTO-Studien sind ein gemeinsames Projekt des Forschungszentrums FORS, dem Zentrum für Demokratie Aarau (ZDA) und dem Befragungsinstitut LINK. Finanziert wird VOTO von der Schweizerischen Bundeskanzlei.

Für die Voto-Studie wurden im Nachgang der Abstimmungen vom 4. März 2018 1’531 Stimmberechtigte aus der ganzen Schweiz befragt.

Alle Berichte, die Fragebogen sowie die Rohdaten mit Zusatzinformationen zur Erhebung sind für wissenschaftliche Zwecke frei zugänglich unter www.voto.swiss bzw. durch das FORS-Datenarchiv forsbase.unil.ch.