1

Wahldiskriminierung von Kandidierenden mit Migrationshintergrund

Nenad Stojanovic, Lea Portmann
7th Februar 2018

Es ist schwierig, Diskriminierung zu definieren und es ist noch schwieriger, sie zu messen. Das Schweizer Wahlsystem ist aber besonders geeignet, um Diskriminierung bei den Wahlen zu untersuchen, da es der Wählerschaft ermöglicht, missliebige Kandidierende auf den Wahllisten schlicht und einfach zu streichen. Wir haben die Wahlzettel bei den lokalen Wahlen 2014 im Kanton Zürich analysiert und konnten die wohl bereits bestehende Vermutung belegen:  Kandidierende mit «nicht-Schweizer» Namen werden häufiger von den Parteilisten gestrichen. Insbesondere auf Listen der Parteien im rechts und mitte-rechts Spektrum haben es diese Kandidierende schwer.

Die meisten von uns glauben zu wissen, was Diskriminierung ist und weshalb diskriminierendes Verhalten falsch ist. Schliesslich ist der Begriff «Diskriminierung» im derzeitigen öffentlichen Diskurs omnipräsent. Dennoch stellt es sich als komplexe Angelegenheit heraus, den Begriff Diskriminierung zu definieren. 

Rechtstheoretiker, Soziologen, Politologen und Forschende anderer Disziplinen haben kürzlich neue Einblicke diesbezüglich hervorgebracht, wobei noch immer kein Konsens betreffend einer Definition besteht. Und auch wenn wir uns darüber einig würden, was Diskriminierung ist, bliebe eine weitere schwierige Aufgabe bestehen: Wie können wir Diskriminierung empirisch messen?

In unserer Studie fokussieren wir uns auf die sogenannte «Wahldiskriminierung». Wir sprechen von Wahldiskriminierung, wenn Kandidierende aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Minderheit Nachteile erleiden, wenn sie sich für ein politisches Amt zur Wahl aufstellen lassen. Dies trifft zu, wenn Wähler, die im Hinblick auf ihre Herkunft der Mehrheit angehören, Kandidierende mit übereinstimmenden Identitätszügen gegenüber von Minderheiten bevorzugen. Im US-Kontext haben zahlreiche Studien die Annahme untersucht, dass weisse Wählerinnen und Wähler dazu tendieren, weisse Kandidierende gegenüber von schwarzen und hispanischen Kandidierenden vorzuziehen. Im Schweizer Kontext besagt die Wahldiskriminierungsthese, dass Kandidierende mit Migrationshintergrund, bzw. mit einem «nicht-typischen» Schweizer Namen, potenziell bei Wahlen diskriminiert werden.

Die Wahldiskriminierung in der Schweiz zu untersuchen ist besonders ergiebig, aufgrund des hiesigen Wahlsystems, welches den Wählern erlaubt, Kandidierende von ihren Wahlzetteln zu streichen. Mit anderen Worten können im Schweizer Proporzsystem Wählerinnen und Wähler den Kandidierenden nicht nur positive, sondern auch negative Präferenzen zuordnen.

Daten und Methodik

Für unsere Studie haben wir Daten von einzelnen Wahlzetteln aus sechs kommunalen Wahlen im Kanton Zürich gesammelt. Ähnlich wie Philippe Koch (2016) haben wir eine öffentlich zugängliche Datenbank verwendet, um die Namen aller Kandidierenden in zwei Kategorien einzuteilen: «Schweizer» und «Nicht-Schweizer». Danach haben wir untersucht, ob – wenn eine Reihe von Faktoren vergleichbar sind – Kandidierenden mit «Nicht-Schweizer» Namen einen Nachteil hatten. 

Unsere Resultate zeigen, dass Kandidierende mit Migrationshintergrund bei den kommunalen Wahlen in Zürich von 2014 tatsächlich benachteiligt waren. Zu sehen ist dies anhand der zusätzlichen negativen Präferenzstimmen, welche sie im Vergleich zu ähnlichen Kandidierenden mit Schweizer Namen erhalten haben. Dieser Effekt war stärker bei Kandidierenden, welche sich auf Listen von rechten und mitte-rechts Parteien zur Wahl aufstellen liessen, als bei Kandidierenden auf Listen von linken Parteien. Dabei soll unterstrichen werden, dass Kandidierende mit «nicht-Schweizer» Namen mehr Mühe haben, überhaupt auf die Listen von rechten und mitte-rechts Parteien zu gelangen (Koch 2016).

Überraschenderweise – in Bezug auf eine frühere Studie – konnten wir nicht zeigen, dass Kandidierende mit westlichen «nicht-Schweizer» Namen (zum Beispiel Namen aus England, Spanien oder Skandinavien) bessergestellt waren als Kandidierende mit Namen aus dem früheren Jugoslawien oder der Türkei.

Das Novum aus unserer Studie ist der einzigartige Datensatz, der es uns erlaubte, das Phänomen der Wahldiskriminierung in einer realen Umwelt zu untersuchen. Im Vergleich zu bisherigen Studien – welche sich normalerweise auf aggregierte Wahldaten, Experimente oder Umfragen verlassen mussten – konnte unsere Analyse einige wichtige methodologische Herausforderungen angehen, die es schwierig machen, Diskriminierung zu messen. Wir hoffen, dass unsere Resultate und unsere Methode die Forschung zur Wahldiskriminierung ein Stück vorantreiben können.

 


Bibliographie:

  • Koch, Philippe. 2016. «Wessen Partei? Eine vergleichende Untersuchung von Kandidatinnen und Kandidaten mit Migrationshintergrund bei Schweizer Stadtratswahlen». In Béatrice Ziegler (Hrsg.), Ungleichheit(en) und Demokratie. Schulthess, Ss. 43-67. 

Bild: Wikimedia Commons