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Szenarien für die neue Regierungszusammensetzung in Katalonien

Alberto Lopez Ortega, Oliver Strijbis
6th November 2017

Wie weiter in Katalonien? Am 21. Dezember finden Neuwahlen statt, doch ob diese eine Klärung der verfahrenen Situation bringen, ist höchst ungewiss. Unsere Wahlbörse zeigt die Wahrscheinlichkeiten der kommenden Regierungszusammensetzung. Zur Zeit sieht es danach aus, als würde wieder eine separatistische Regierung die Wahlen gewinnen, allerdings ohne auf eine absolute Mehrheit zu kommen.

Katalonien erlebt in diesen Tagen eine aussergewöhnliche politische Krise. Das gemäss Verfassungsgericht illegitime Unabhängigkeitsreferendum, die erfolglosen Verhandlungen zwischen der spanischen Zentral- und der katalanischen Regionalregierung, die einseitige Unabhängigkeitserklärung durch eine knappe Mehrheit des katalanischen Parlaments und die Absetzung der Regierung sowie Aussetzung der regionalen Autonomie durch Madrid folgen Schlag auf Schlag. Die meisten dieser Ereignisse haben den schon lange schwelenden Konflikt zwischen der Region und Spanien noch verschärft. Können in dieser schier ausweglosen Situation die von der Zentralregierung für den 21. Dezember ausgerufenen Neuwahlen etwas Klärung bringen?

Mittlerweile steht fest, dass nicht nur die unionistischen Parteien, welche sich für die Einheit Spaniens und gegen ein unabhängiges Katalonien einsetzen, sondern auch die separatistischen Parteien an den Wahlen teilnehmen werden. Dies bedeutet einen ersten Erfolg für die Unionisten, denn die Separatisten werden an regionalen Wahlen in einem Staat teilnehmen, den sie nicht mehr als den ihren betrachten. Insgesamt scheint die Ausgangslage jedoch ungewiss.

 Szenarien für die Regierungsbildung nach den Wahlen

Im katalanischen Regionalparlament sind sieben Parteien vertreten. Die Polarisierung aufgrund des Konflikts um die nationale Unabhängigkeit haben die ideologischen Differenzen zwischen diesen Parteien aber stark verringert, in den letzten Jahren haben sich zwei grosse, einander gegenüberstehende Blöcke herausgebildet. Die entscheidende Frage ist nun, welche dieser beiden Blöcke - die Separatisten oder die Unionisten - die Wahlen im Dezember gewinnen wird. Für die Separatisten ist klar: Sie müssen diese Wahlen gewinnen. Denn nach ihrer einseitigen Unabhängigkeitserklärung, für welche sie nun von der Justiz in Madrid belangt werden, kann ihnen nur ein klarer Sieg einen Ausweg aus der Sackgasse weisen. Ein Sieg der Unionisten, hingegen, würde einen siebenjährigen Prozess in Richtung Unabhängigkeit abrupt beenden.

Die Parteien im katalanischen Regionalparlament
Das katalanische Regionalparlament mit Sitz in Barcelona hat 135 Sitze, gewählt wird nach dem Majorzsystem. Bei den letzten Wahlen im Jahr 2015 gewann das Bündnis Junts pel Sí (JxSí) 62 Sitze. Junts pel Sí besteht aus der bürgerlichen Convergènicia Democràtica de Catalunya (CDC),  der Partei von Arthur Mas sowie Carles Puigdemont, den beiden letzten Präsidenten Kataloniens,  die seither zum Partido Demócrata Europeo Catalán (PDeCAT) geworden ist, sowie der Linkspartei Esquerra Republicana de Catalunya (ERC), deren Präsident Oriol Junqueras ist. Die links-alternative Gruppierung Candidatura d'Unitat Popular (CUP) gewann zehn Sitze. Zusammen hatten sie im letzten Parlament mit 72 Sitzen eine Mehrheit und traten für die Unabhängigkeit Kataloniens ein. Die Minderheit bestand aus der liberalen Mittepartei Ciudadanos (C's), die 25 Sitze gewann, dem Partit dels Socialistes de Catalunya (PSC), die auf 16 Sitze kamen, dem Wahlbündnis Catalunya sí que es pot (CSP), welchem auch Podemos angehört, das auf elf Sitze kam und dem konservativen Partido Popular (PP), der Partei des spanischen Regierungspräsidenten Mariano Rajoy, welcher ebenfalls elf Sitze innehatte.

Ein drittes Szenario besteht aus einem Unentschieden zwischen den beiden Blöcken, bei welcher keine auf eine Parlamentsmehrheit kommt. Dies würde die noch einzige verbleibende Kraft dazwischen, die kleine Partei Catalunya en Comú (CeC) in eine wichtige Position bringen. Dieser regionale Allianzpartner der linken Podemos, der in Barcelona die Stadtpräsidentin Ada Colau stellt, befindet sich angesichts der starken Polarisierung und der internen Fragmentierung in einer schwierigen Situation. Dennoch könnte CeC im Falle eines Patts nach den Wahlen zur Königsmacherin aufsteigen. Die Frage lautete in einem solchen Fall, ob sie eine separatistische oder eine unionistische Regierung ins Amt hieven wird.

Welches Szenario ist das Wahrscheinlichste?

Welches der oben skizzierten Szenarien am wahrscheinlichsten ist, versuchen wir mittels eines Prognosemarktes herauszufinden. Auf dem Prognosemarkt können die Teilnehmenden, welche wir für den Prognosemarkt rekrutiert haben, entweder auf eine separatistische oder eine unionistische Regierung tippen. Ausserdem haben sie die Möglichkeit zwischen einer Mehrheitsregierung und einer Minderheitsregierung, die mittels Stimmen von CeC ins Amt gebracht wurde, zu unterscheiden. Die Vorhersagen des Prognosemarktes, können in der Abbildung unten live konsultiert werden können.

Bis anhin gehen die Prognosemarktteilnehmer von einer erneuten Regierung der separatistischen Parteien aus. Dabei wird die Wahrscheinlichkeit für eine Regierung der Separatisten ohne Unterstützung von CeC als die wahrscheinlichste Variante gehandelt. Allerdings hat der Handel auf dem Prognosemarkt erst am Mittwoch, dem 1. November begonnen. Neue Ereignisse können die Vorhersagen noch stark beeinflussen. Es wird daher interessant sein, die Veränderungen der Prognosen bis am 21. Dezember zu verfolgen. Denn es gibt keinen Zweifel: Das Wahlresultat und die damit verbundene Regierungsbildung ist für die Zukunft nicht nur Kataloniens, sondern ganz Spaniens von grösster Bedeutung.   

Abbildung 1: Wahrscheinlichkeiten für Regierungskoalitionen nach den katalanischen Regionalwahlen

Der Prognosemarkt
Der von uns durchgeführte Prognosemarkt funktioniert wie ein traditioneller Aktienmarkt. Anstelle von Unternehmensaktien hält man jedoch «Aktien» von Regierungskoalitionen. Der Schlusspreis einer Aktie wird durch das tatsächliche Ergebnis der Regierungsbildung bestimmt. Nachdem eine Regierung vereidigt wurde, erhält jede Aktie den Wert von 100 Punkten, wenn das Ereignis eingetroffen ist, d.h., eine entsprechende Regierung gebildet wurde, und 0 Punkten, wenn dies nicht eingetroffen ist. Dies führt dazu, dass der Wert der Aktie die erwartete Wahrscheinlichkeit, dass eine Regierungskoalition zustande kommt, widerspiegelt. Der Prognosemarkt funktioniert damit analog zu den Wahlbörsen, wie sie auch in der Schweiz jeweils vor Wahlen durchgeführt werden. Die Teilnehmer sind mehrheitlich Studierende verschiedener Universitäten in Katalonien und dem übrigen Spanien. Alle Teilnehmer erhalten dabei 10 Euro, welche sie mit einer genauen Vorhersage und etwas Spielgeschick bis auf etwa 30 Euro steigern können. Im Moment nehmen gut 70 Personen daran teil. In den nächsten Tagen soll die Teilnehmerzahl auf über 200 gesteigert werden. Ziel des Projektes ist es nicht eine Wahlvorhersage zu machen, sondern die Erwartungen über den Ausgang der Wahlen und der darauffolgenden Regierungsbildung zu messen. Mit einem analogen Prognosemarkt haben wir bereits erfolgreich die Erwartungen für die Regierungsbildung bei nationalen spanischen Parlamentswahlen gemessen (Strijbis, Arnesen und Leonisio, im Erscheinen; siehe auch Strijbis, Arnesen und Bernhard, 2016).


Referenzen

  • Oliver Strijbis, Sveinung Arnesen und Laurent Bernhard (2016). “Using prediction market data for measuring the expected closeness in electoral research”, Electoral Studies 44, 144-150.
  • Oliver Strijbis, Rafael Leonisio und Sveinung Arnesen (im Erscheinen). “Es estratégico el vootante español? Análisis del voto de coaliciones con un mercado de predicción.”, in Las elecciones generales 2015-2016, Hrsg. Francisco José Llera, Montse Baras, und Juan Montabes, Madrid: CIS.

Foto: Wikimedia Commons.