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Die SVP -
die Männerpartei?

Nathalie Giger
25th November 2016

Unterstützen nur Männer die SVP? Meine Analyse zeigt, dass die geschlechtsspezifischen Unterschiede sowohl bei Wahlen als auch bei Abstimmungen über SVP-Initiativen und Referenden in die gleiche Richtung gehen. Frauen unterstützen die SVP zwar nicht überhaupt nicht, aber in einem geringeren Ausmass wie die Männer. Insgesamt ist die SVP als Partei attraktiver für Männer als für Frauen.

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Unterschiede im Wahlverhalten zwischen Frauen und Männern beschäftigen die Wissenschaft schon lange. War es in den 1950er Jahren noch die Frage, warum Frauen in Europa konservativer wählten als die Männer, kehrten sich die Verhältnisse in den 1980er Jahren in den meisten Ländern. Frauen unterstützen heute in der Tendenz linke Parteien stärker als Männer. Der gender gap im Wahlverhalten, d. h. die Unterschiede zwischen Männern und Frauen, hat also seine Richtung geändert.

Mit den Aufstieg von rechtspopulistischen Parteien zeigte sich allerdings noch ein anderer Aspekt des Phänomens: Diese Parteien wiesen einen massiv höheren Anteil an Männern unter ihren Unterstützern auf, für Frauen waren und sind diese Parteien anscheinend weniger attraktiv. Dies ist vermutlich auf ihr ultrakonservatives und anti-feministisches Programm zurückzuführen oder auch auf die Tatsache, dass sie fast nur männliche Aktivisten und Politiker haben.

Gilt das auch für die Schweizer SVP? Ich möchte die These von einem gender gap in der Unterstützung für die SVP in zweierlei Hinsicht überprüfen: Zum einen im Abstimmungsverhalten, genauer in der Unterstützung für Initiativen, die von der SVP initiiert worden sind, und zweitens im Wahlverhalten, spezifischer bei den Nationalratswahlen.

Graphik 1 zeigt die unterschiedliche Unterstützung von Frauen und Männern für Initiativen und Referenden, die die SVP in den letzten zehn Jahren organisiert hat.[1]

Graphik 1

Lesehilfe: Positive Werte bedeuten, dass Männer die SVP-Position ("Ja" im Falle der Initiativen und "Nein" im Falle der beiden Refenden) mehr unterstützten als Frauen. Negative Werte bedeuten umgekehrt, dass Frauen die SVP-Position mehr unterstützten als Männer.

Positive Werte bedeuten, dass die Initiative stärker von Männern unterstützt wurde, negative Werte sind so zu lesen, dass Frauen diese Initiative zu einem grösseren Prozentsatz angenommen haben.

Zwischentitel: Männer unterstützen Vorlagen der SVP stärker als Frauen

Es zeigt sich, dass Männer Initiativen und Referenden der SVP stärker unterstützen als Frauen. Diese Unterschiede können zum Teil recht bedeutend ausfallen, z.B. bei der Einbürgerungsinitiative 2008 (15.3 Prozent Unterschied) oder bei der Frage zur Volkswahl des Bundesrats im Jahr 2013 (15.8 Prozent Unterschied), während sie bei den letzten drei Vorlagen (Masseneinwanderungsinitiative, Durchsetzungsinitiative und Asylgesetz Referendum) eher klein (zwischen 1 und 3 Prozent) und nicht systematisch ausfielen.

Geht man diesen Unterschieden auf den Grund, zeigt sich, dass es dafür keine einheitliche Erklärung gibt. Sind die Unterschiede zwischen Männern und Frauen signifikant, können bei zwei Vorlagen (Ausschaffungsinitiative und Volkswahl Bundesrat) weder sozio-demographische Unterschiede noch Einstellungsunterschiede für den gender gap verantwortlich gemacht werden.

Es sind also weder geschlechtsspezifische Unterschiede in der Berufsstruktur oder der Bildung noch unterschiedliche Einstellungen bezüglich der Rolle der Schweiz, die die unterschiedlich hohe Zustimmung erklären können. Einzig bei der Ausschaffungsinitiative erklärt das höhere Regierungsvertrauen der Frauen den Geschlechtsunterschied.

Über solche Individualerklärungsansätze hinaus kann natürlich auch das Thema oder der Verlauf der Kampagne der jeweiligen Vorlage entscheidend sein – etwas, das wir aufgrund der begrenzten Anzahl an Initiativen, die wir hier genauer untersucht haben, nicht genauer ergründen können. Allerdings lässt sich sagen, dass auch bei den Kernthemen der SVP wie der Immigrations- und Asylpolitik keine grosse Differenzen zwischen den Geschlechtern bestehen (z. B. MEI).

Spannend wäre es zum Beispiel auch sich genauer anzuschauen warum der „gender gap“ bei der Ausschaffungsinitiative höher ausgefallen ist als bei der Durchsetzungsinitiative, behandeln doch beide Vorlagen das identische Thema.

Insgesamt können wir die kurze Untersuchung des Abstimmungsverhaltens bei SVP-Initiativen wie folgt zusammenfassen: Es existieren geschlechtsspezifische Unterschiede in der Unterstützung. Diese sind unterschiedlich stark ausgeprägt und sind nur in einigen Fällen bedeutend (grösser als einige Prozentpunkte und statistisch signifikant). Die gängigen Erklärungsansätze (sozio-demographische oder Einstellungsunterschiede) taugen nicht viel, um diesen gender gap zu erklären.

Männer wählen häufiger SVP als Frauen

Wenden wir uns nun in einem zweiten Schritt dem Wahlverhalten zu. Finden wir hier die aus anderen Europäischen Ländern bekannten Unterschiede in der Unterstützung einer rechtspopulistischen Partei?

Graphik 2 zeigt die Unterschiede in der Wahl der SVP nach Geschlecht. Positive Werte bedeuten, dass Männer die SVP in einem stärkeren Ausmass unterstützen als Frauen, negative Werte das Gegenteil.

Interessant zu sehen ist die zeitliche Entwicklung der Unterschiede: Die Unterschiede stiegen in den 1990er Jahren stark an, was mit dem Aufstieg der SVP und ihrem Wandel zur rechtspopulistischen Partei zusammenfällt. Seit 1995 ist der Unterschied im Durchschnitt grösser als fünf Prozent, d.h. dass beispielsweise im Jahr 1999 der Wähleranteil der SVP unter den Männern 26.2 Prozent betrug, während nur 18.4 Prozent der Frauen SVP wählten. Die letzten Zahlen aus dem Jahr 2015 entsprechen dabei ziemlich genau den durchschnittlichen fünf Prozent Unterschied: 31.9 Prozent der Männer und 26.6 Prozent der Frauen unterstützten bei den Nationalratswahlen die Schweizerische Volkspartei.

Graphik 2

Lesehilfe: Positive Werte bedeuten, dass der SVP-Wähleranteil unter den Männern höher lag als unter den Frauen. Negative Werte bedeuten umgekehrt, dass der SVP-Wähleranteil unter den Frauen höher lag als unter den Männern.

Was erklärt diese Unterschiede in der Unterstützung? Regressionsanalysen lassen den Schluss zu, dass vor allem die etwas linkeren und progressiveren Einstellungen der Frauen sind, die sie die SVP weniger unterstützen lassen. Rechnet man diese Einstellungsunterschiede raus, verschwindet auch der „gender gap“ in den allermeisten Fällen[2].

Ein Image-Problem der SVP?

Die parallele Analyse von Abstimmungen und Nationalratswahlen ermöglicht einen interessanten Vergleich von politischem Verhalten in Wahlen und direktdemokratischen Abstimmungen. Dabei zeigt sich, dass der gender gap in der Unterstützung der SVP bei Wahlen grösser und konsistenter ist als bei SVP-initiierten Initiativen. Bei den Abstimmungen sind die Unterschiede viel volatiler, dabei jedoch zum Teil recht massiv (grösser als zehn Prozent) oder auch praktisch nicht-existent.

Es gibt meiner Meinung nach drei mögliche Erklärungen für dieses Phänomen. Zum einen kann es an der Mobilisierung liegen, d. h. dass bei Abstimmungen konservativere Frauen eher teilnehmen als an Wahlen oder anders ausgedrückt, dass die SVP ihr Potential bei hauseigenen Abstimmungen besser mobilisiert als bei Wahlen. Ein Indiz für diese Erklärung ist, dass die Zustimmungsraten bei SVP-Initiativen zum Teil weit über ihrem Wähleranteil liegen.

Eine mögliche zweite Erklärung fokussiert auf das politische Personal der SVP. Es kann durchaus sein, dass die meist männlichen Kandidaten der SVP Frauen weniger ansprechen als Männer und sie deshalb der Partei die Unterstützung teilweise verweigern oder eben ganz zu Hause bleiben. Um diese Erklärung zu erhärten wären weitere Analysen zur geschlechterspezifischen Unterstützung der SVP bei Listen mit unterschiedlichen Frauenanteilen nötig.

Schliesslich kann es aber auch einfach sein, dass das Image der SVP bei Wahlen deutlicher raussticht und die Frauen die Partei deshalb weniger wählen. Bei Abstimmungen stehen Sachthemen im Vordergrund. Dafür sind die Frauen durchaus empfänglich, während bei Wahlen neben den konkreten Kandidierenden eben auch die Partei und die dazugehörigen Assoziationen im Vordergrund stehen.

Abschliessend soll jedoch nochmals betont werden, dass ich für keine der drei Erklärungsansätze starke empirische Grundlagen habe, sie sind deshalb vor allem Spekulation. Erst weitere Forschung und neue Daten werden uns mehr dazu sagen können.


Anmerkungen

[1] Was die Graphik nicht zeigt, sind die Niveaus der Unterstützung oder in anderen Worten die generelle Zustimmung oder Ablehnung der Vorlage, da diese für die Untersuchung nicht zentral sind.

[2] Eine Ausnahme bildet die Wahl 2003, für die weder links-rechts noch spezifische Einstellungen den „gender gap“ zu erklären vermögen.

Graphiken: Salim Brüggemann

Titelbild: Schweizerische Volkspartei