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E‑Voting: Breite Unterstützung trotz Sicherheitsbedenken

Thomas Milic, Michele McArdle, Uwe Serdült
7th Oktober 2016

«Langfristig sollen alle Stimmberechtigten elektronisch abstimmen und wählen können», sagte die ehemalige Bundeskanzlerin Corina Casanova kürzlich in einem Gastbeitrag in der NZZ. Noch ist es indessen nicht so weit. Im Vorfeld der Nationalratswahlen 2015 wurde beispielsweise neun Kantonen die Bewilligung zum Einsatz von E-Voting nicht erteilt. In der Bevölkerung stösst die Einführung von E-Voting dafür auf breite Zustimmung, wie unsere Untersuchung zeigt.

Bei den letztmaligen eidgenössischen Parlamentswahlen 2015 boten gerade mal vier Kantone (GE, LU, BS, NE) die Möglichkeit des elektronischen Stimmens für registrierte Auslandschweizer Stimmberechtigte an. Und nur in den Kantonen Genf und Neuenburg erhielten auch in der Schweiz wohnhafte Stimmberechtigte die Möglichkeit, elektronisch zu wählen (rund 96'000 Personen).

Den neun Kantonen des Konsortiums «Vote électronique» verweigerte der Bundesrat hingegen die Bewilligung zur elektronischen Stimmabgabe, weil ein vorgängiges Audit ergab, dass in deren System das Stimmgeheimnis nicht garantiert werden könne.

Bevölkerung begrüsst E-Voting

Was aber denkt die Bevölkerung über das E-Voting und inwieweit teilt sie die Sicherheitsbedenken der Behörden? Eine vom Umfrageinstitut LINK im Auftrag des Zentrums für Demokratie Aarau (ZDA) durchgeführte Umfrage zeigt, dass eine flächendeckende Einführung des E-Votings von einer breiten Bevölkerungsmehrheit (69%) begrüsst wird. Dabei sind es vor allem die 18 bis 44jährigen, die darauf drängen (siehe Abbildung 1). Für viele von ihnen scheint die Möglichkeit des elektronischen Abstimmens beinahe ein Muss zu sein. Heutzutage könne man schliesslich fast alles über das Internet machen, war ein Argument, das von Jungen überdurchschnittlich stark unterstützt wurde.

Abbildung 1:

Grafik 1

Dieses «Zeitgeist-Argument» erwies sich als das erklärungskräfigste Argument (siehe Abbildung 2). In Anbetracht dessen, dass die Gruppe der digital natives  kontinuierlich wächst, dürfte der Ruf nach einer flächendeckenden Einführung des E-Voting demnach in Zukunft lauter werden.

Abbildung 2:

Graph 2

Anmerkung: Effektstärken (odds ratio) der Argumente für die Unterstützung des E-Votings (dichotomisiert), mit 95%-Konfidenzintervall

Die allermeisten Befragten, darunter auch Gegner des E-Votings, verbinden damit vor allem Bequemlichkeitsvorteile: E-Voting wird als eine bequeme und vereinfachte Form der Stimmabgabe angesehen.

Ist E-Voting bloss ein momentaner "digitaler Trend"?

Dennoch befürworten nicht alle von ihnen eine flächendeckende Einführung des E-Votings. Das liegt zum einen daran, dass eine erhebliche Zahl der Befragten gleichzeitig der Ansicht ist, dass die Briefwahl eigentlich schon einfach genug sei. Daneben gibt es aber auch Traditionalisten, die sich primär Sorgen um den Meinungsbildungsprozess machen. Sie glauben, dass das E-Voting Teil eines umspannenden, digitalen Trends sei, der dazu führe, dass sich Individuen nicht mehr persönlich austauschen, sondern nur noch virtuell, worunter der Entscheidungsprozess und letztlich die Demokratiequalität leiden würde.

Aufschlussreich sind diese Nennungen, weil die Qualität der Meinungsbildung im Zusammenhang mit dem E-Voting selten zur Debatte steht. Die Umfrage zeigt aber, dass sich vor allem die älteren Stimmberechtigten darum sorgen.

Viele haben Sicherheitsbedenken

Nach Nachteilen des E-Votings gefragt, antwortete eine relative Mehrheit, dass sie Sicherheitsbedenken hätten. Mehr als 60 Prozent zeigten sich beispielsweise mit dem Argument einverstanden, wonach die Stimmabgabe über das Internet einfacher manipuliert werden könne als bei der brieflichen Stimmabgabe.

Es gibt demnach auch in der Bevölkerung Sorgen vor Manipulationsrisiken oder Sicherheitslücken. Nun liesse sich argumentieren, dass es dieselben Risiken doch auch bei anderen Internettranskationen gäbe. In der Tat korrelieren das Vertrauen in Internettranskationen im Generellen und das Vertrauen in den elektronischen Stimmkanal stark. Allerdings gibt es eine nicht unerhebliche Zahl von Bürgerinnen und Bürgern, die bei der Abstimmungsdemokratie mehr Transparenz und höhere Manipulationsresistenz verlangen als bei anderen, alltäglichen Internettätigkeiten.

Abbildung 3: 

Grafik 3

E-Voting muss jedoch innerhalb eines längeren Zeithorizontes betrachtet werden. Die Diskussion um E-Voting steht heute in etwa da, wo die briefliche Stimmabgabe vor Jahrzehnten stand.

Auch briefliche Stimmabgabe stiess zuerst auf Skepsis

Auch der brieflichen Stimmabgabe wurde zunächst eine gehörige Portion Skepsis entgegen gebracht. Der Kanton Tessin hat beispielsweise erst kürzlich die flächendeckende briefliche Stimmabgabe bei Wahlen eingeführt – auch deshalb, weil es bis zuletzt Bedenken dagegen gab

Unsere Umfrage zeigt aber, dass die briefliche Stimmabgabe inzwischen ein fast gleich hohes Vertrauen geniesst wie die Stimmabgabe im Wahllokal selbst (Abbildung 4). Die elektronische Stimmabgabe hinkt, was das Vertrauen anbelangt, diesbezüglich noch etwas hinterher. Das Vertrauen darin ist signifikant geringer als dasjenige in den klassischen Stimmkanälen.

Abbildung 4:

Grafik 4

Anmerkung: Der genaue Wortlaut der Frage lautete: «Beim Stimmen ist es ja wichtig, dass man darauf vertrauen kann, dass die eigene Stimme richtig registriert und gezählt wird. Wie gross ist diesbezüglich Ihr Vertrauen bei den folgenden drei Möglichkeiten der Stimmabgabe? Sagen Sie mir das bitte auf einer Skala von 0 bis 10. 0 bedeutet, dass Sie überhaupt kein Vertrauen haben, 10 bedeutet, dass Sie grösstes Vertrauen haben. Mit den Werten dazwischen können Sie Ihre Meinung abstufen.»

Dabei darf jedoch nicht ausser Acht gelassen werden, dass für die allermeisten Befragten diese Form der Stimmabgabe eine terra incognita ist. Sie haben diese Form der Stimmabgabe selbst noch nie anwenden können, womit ihnen auch die entsprechenden Erfahrungswerte fehlen, welche das Vertrauen in diesen Stimmkanal festigen könnten.

Ein Hinweis darauf, dass mit der Nutzung dieses Instruments auch das Vertrauen steigen könnte, sind diejenigen Befragten, die angaben, schon mal elektronisch abgestimmt zu haben. Ihre Zahl ist zwar gering (n=30), aber sie wiesen dem E-Voting einen gleich hohen durchschnittlichen Vertrauenswert zu wie der brieflichen Stimmabgabe.

Wer hingegen noch nie die Gelegenheit hatte, elektronisch zu stimmen (und sie auch nutzte), steht dieser Form der Stimmabgabe deutlich skeptischer gegenüber. Hier könnte allerdings ein selection bias vorliegen, denn wer Vertrauen in das E-Voting hat, nutzt den Kanal auch viel eher. Aber aufgrund dieser Werte ist zumindest auch denkbar, dass das Vertrauen mit der Nutzung steigt.

Stimmberechtige denken, dass E-Voting Stimmbeteiliung erhöht

Zuletzt glauben viele Stimmberechtigte, dass sich die Beteiligung erhöhen würde, stünde der elektronische Stimmkanal offen. Ob diese Hoffnungen dereinst in Erfüllung gehen, ist indes fraglich: Entsprechenden Partizipationsstudien (z.B. Bochsler 2010) gehen von sehr geringen Beteiligungseffekten aus und auch die Einführung der brieflichen Stimmabgabe erhöhte die Beteiligung damals nur graduell (Luechinger et al. 2007). Aber unsere Befragung zeigt immerhin, dass die Bürgerinnen und Bürger mit dem E-Voting positive Effekte für die Demokratiequalität verknüpfen, was für die Akzeptanz dieses Stimmkanals auf jeden Fall förderlich ist.

Hinweis: Dieser Beitrag bezieht sich auf: Milic, Thomas; McArdle, Michele und Serdült, Uwe (2016): Haltungen und Bedürfnisse der Schweizer Bevölkerung zu E-Voting, Studienberichte des Zentrums für Demokratie Aarau, Nr. 9 (September 2016).


Literatur:

  • Bochsler, Daniel (2010) Can Internet Voting Increase Political Participation? Remote Electronic Voting and Turnout in the Estonian 2007 Parliamentary Elections, Presentation at Internet and Voting Conference Fiesole, 2010. http://www.eui.eu/Projects/EUDO-PublicOpinion/Documents/bochslere-voteeui2010.pdf
  • Luechinger, Simon, Myra Rosinger und Alois Stutzer (2007). The impact of postal voting on participation. Evidence for Switzerland. Swiss Political Science Review 13(2): 167–202.   

Layout, Grafiken: Pascal Burkhard