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Totale Politikblockade in Spanien

Oliver Strijbis
29th September 2016

In Spanien wurde bereits zwei Mal gewählt, eine Regierung gibt es aber noch nicht. Nicht zuletzt deswegen, weil sich die sozialistische Partei PSOE auf keine Strategie einigen konnte. Der Partei droht nach dem Rücktritt ihres Vorsitzenden eine Spaltung. Und dem Land allenfalls sogar ein dritter Wahlgang. 

Die spanische Bevölkerung hat in den letzten neun Monaten zwei Mal gewählt, aber über eine neue Regierung verfügt das Land immer noch nicht. Denn es gelingt den spanischen Parteien weder eine tragfähige Regierungskoalition zu formen noch eine mehr oder weniger stabile Minderheitsregierung ins Amt zu hieven. Dies alles in einem Moment, in welcher die spanische Wirtschaft die Krise noch nicht überwunden hat und die erstarkte Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien den Zusammenhalt des Landes belastet. Die Bürgerinnen und Bürger Spaniens haben das Vertrauen in die Politik längst verloren.

Wer trägt Schuld an der Blockade?

Die spanischen Sozialisten werden zunehmend als Verantwortliche für die politische Blockade betrachtet (Abbildung 1). Dies nicht ganz zu unrecht. Denn die Partei hätte eigentlich die Regierungsbildung vorantreiben können, zog es aber vor, sich bis zur Beschlussunfähigkeit zu zerstreiten. Ob der Rücktritt des bisherigen Präsidenten Sanchez am Wochenende die Lösung ist, wird sich zeigen.

Abbildung 1:

Das griechische Szenario

Es hätte für die Sozialisten allerdings noch eine eine andere Möglichkeit gegeben als selber eine Regierung zu bilden: Sie hätten sich im Parlament der Stimme enthalten und somit dem Partido Popular, der konservativen Volkspartei von Ministerpräsident Mariano Rajoy, den Weg zu einer Minderheitsregierung ebnen können. Diese Strategie wurde von Parteigrössen wie dem ersten sozialistischen Ministerpräsidenten Felipe Gonzalez oder der amtierenden Regionalpräsidentin Andalusiens, Susanna Díaz, und der Mehrheit der Spanierinnen und Spanier befürwortet. (Abbildung 2)

Abbildung 2:

Der Nachteil dieser Strategie ist freilich, dass sie von einem grossem Teil der Mitglieder der Partei wie auch von den linken Wählerinnen und Wählern als Betrug empfunden wurde. Denn die Duldung einer konservativen Minderheitsregierung unter dem bisherigen Ministerpräsidenten Rajoy würde von vielen als ein weiterer Schritt des PSOE nach rechts ausgelegt. 

Den Sozialisten droht damit, ihr Profil als linke Partei zu verlieren und in der Mitte zerrieben zu werden. Es wäre ein ähnliches Schicksal wie jenes des PASOK in Griechenland. Denn auch in Spanien hat die links stehende Wählerschaft dem PSOE weitgehend den Rücken gekehrt, nachdem die Partei während der Wirtschaftskrise die unpopulären Auflagen der Troika erfüllte, was die Protestpartei Podemos auszunützen wusste.

Sanchez will mit Podemos regieren

Aus diesem Grund wollte der am Wochenende zurückgetretende bisherige Parteipräsident der Sozialisten, Pedro Sanchez, die linksalternative Podemos in die Verantwortung ziehen. Diese legt aber einer Einigung mit den Sozialisten so grosse Hürden in den Weg, dass man sich fragen muss, ob sie überhaupt ernsthaft eine Regierungsbeteiligung anstrebt. Sanchez war gewillt, Podemos derart unter Druck zu setzen, dass diese in eine Einigung einlenkt. Beispielsweise drohte er mehr oder weniger direkt mit dem Ausrufen von Neuwahlen, wobei er Podemos für das Scheitern einer linken Regierungsbildung verantwortlich machen will. Wie es nun weitergeht, ist unklar.

Es droht ein dritter Wahlgang 

Wenn es bis Ende Oktober 2016 zu keiner Einigung kommt, drohten die dritten nationalen Wahlen innerhalb eines Jahres. Sanchez war überzeugt, im Falle eines weiteres Wahlgangs Stimmen von Podemos zurückzuerobern, steiss dabei aber nicht überall in der Partei auf Gehör.

Allerdings ist auch Podemos mit internen Grabenkämpfen beschäftig. Die Protestpartei ist in einen 'Realo'– und einen 'Fundi'–Flügel gespalten und droht in Katalonien eine Konkurrenzpartei zu erhalten. Viele Beobachter schätzen daher den Höheflug von Podemos als bereits vorüber ein.

Vorbild Portugal? 

Die Strategie die Sozialisten, sich wieder weiter links zu positionieren und damit die Stellung als dominante Kraft im linken Spektrum zurückerobern, kann auch als portugiesisches Szenario bezeichnet werden. In Portugal haben sich die Sozialisten 2015 in einer ähnlichen Situation wie die spanischen Genossen wiedergefunden: Sie hatten die Wahl, eine konservative Regierung zu dulden oder ein heterogenes Bündnis mit linksalternativen Gruppierungen zu bilden. Der Partido Socialista hat sich für letzteres entschieden und es damit geschafft, der Konkurrenz stand zu halten. Seitdem die Partei an der Macht ist, verzeichnet sie in den Umfragen sogar wieder einen Aufwärtstrend.

Streit innerhalb des PSOE
Wenn es beim ursprünglichen Konflikt innerhalb der Sozialisten zuerst noch um die beiden politischen Strategien gegangen ist, so traten diese mit anhaltender Dauer der politischen Blockade in Spanien zusehends in den Hintergrund. Der Kampf um die Kontrolle in der Partei entwickelte sich zu einer öffentlichen Schlammschlacht, von der sich die Partei nicht so schnell erholen dürfte. Die Hauptkontrahenten waren der am Wochenende zurückgetretene Parteivorsitzende Pedro Sanchez und die Präsidentin des PSOE in Andalusien, Susana Diaz. Pedro Sanchez verlor das Vertrauen der Mehrheit der Parteimitglieder, während Susana Diaz die Unterstützung von sechs der sieben mächtigen Regionalpräsidenten und des ersten sozialistischen Premiers Felipe Gonzalez genoss.
 


Lektorat: Sarah Bütikofer

Bild: La Moncloa, Sitz des spanischen Ministerpräsidenten. Quelle: Wikimedia Commons

Graphiken: Salim Brüggemann