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Richtungswahl in Spanien – die Vorhersage mittels Prognosemarkt

Oliver Strijbis
21st Juni 2016

Am 26. Juni finden in Spanien erneut Parlamentswahlen statt, weil sich die Parteien nach den Wahlen im Dezember 2015 auf keine Regierungskoalition einigen konnten. Welche Partei kann unter diesen Umständen am Ende doch noch regieren? Unser Prognosemarkt gibt Antworten.

Die Spitzenkandidaten aller Parteien haben den Wählern versprochen, dass Spanien nach der Wahl vom kommenden Sonntag wieder eine Regierung haben wird. Doch die grosse Frage ist, wie eine solche aussehen soll. Die Parteien sind nach wie vor zerstritten und können sich nicht auf verbindliche Programmpunkte einigen.

Spanien steht vor einer Richtungswahl

Die meisten Umfragen zeigen, dass auch die erneuten Wahlen keine klare Mehrheitsverhältnisse zu Tage bringen werden. Die Frage, welche die spanischen Wähler nun beschäftigt, ist, welche Parteien am Ende doch fähig sein werden, sich miteinander auf eine Regierungskoalition zu einigen.

Um eine Prognose zur Regierungsbildung zu erstellen, führe ich an der Universität Carlos III von Madrid zusammen mit Sveinung Arnesen von der Universität Bergen in Norwegen einen Prognosemarkt durch. Dieser zeigt: Spanien steht vor einer Richtungswahl. Es wird zu einem Linksbündnis der Sozialisten mit Podemos oder einer bürgerlichen Regierung mit dem Partido Popular und Ciudadanos kommen.

Aktuelle politische Situation Spaniens

Die Mehrheitsverhältnisse in Spanien sind äusserst schwierig: Die grösste Partei, der konservative Partido Popular (PP), kam nach den Wahlen im Dezember auf rund 29 Prozent der Stimmen (über fünfzehn Prozent weniger als bei den vorangehenden Wahlen). Für die Mehrheit im Parlament braucht die Partei darum einen Koalitionspartner. Doch von den anderen Parteien will niemand mit dem PP zusammen regieren.

Aber auch die Sozialisten, die nach den letzten Wahlen zweitgrösste Partei mit 22 Prozent der Stimmen, kann nicht richtig auf Unterstützung einer anderen Partei zählen. Podemos, die linke Protestpartei, die - mit Bündnispartnern - auf Anhieb zwanzig Prozent der Stimmen erhielt, war bisher nicht bereit, die Bedingungen der Sozialisten zu akzeptieren. Abgesehen davon wäre aber ohnehin noch eine dritte Partei für die Regierungskoalition nötig, denn auch zusammen mit Podemos haben die Sozialisten keine Mehrheit.

Die viertstärkste Kraft ist Ciudadanos, eine Bürgerbewegung, die in Katalonien gegründet wurde, um den dortigen Separatismus zu bekämpfen. Die Partei kam im Dezember auf knapp 14 Prozent der Stimmen und gilt als Mittepartei. Die Partei befürwortet eine grosse Koalition mit dem Partido Popular und den Sozialisten, auf welche sich letztere nicht einlassen wollten.

Der Prognosemarkt

Der von uns durchgeführte Prognosemarkt funktioniert wie ein traditioneller Aktienmarkt. Anstelle von Unternehmensaktien hält man jedoch «Aktien» von Regierungskoalitionen. Der Schlusspreis einer Aktie wird durch das tatsächliche Ergebnis der Regierungsbildung bestimmt. Nachdem eine Regierung vereidigt wurde, erhält jede Aktie den Wert von 100 Punkten, wenn das Ereignis eingetroffen ist, d.h., eine entsprechende Regierung gebildet wurde, und 0 Punkten, wenn dies nicht eingetroffen ist. Dies führt dazu, dass der Wert der Aktie die Wahrscheinlichkeit, dass eine Regierungskoalition zustande kommt, widerspiegelt. Der Prognosemarkt funktioniert damit analog zu den Wahlbörsen, wie sie auch in der Schweiz jeweils vor Wahlen durchgeführt werden.

Die gut 70 Studierenden, welche wir für den Prognosemarkt rekrutiert haben, tippen entweder auf eine Linksregierung der Sozialisten mit Podemos oder auf eine bürgerliche Regierung von Partido Popular und Ciudadanos. Die Vorhersagen des Prognosemarktes, welche in der Abbildung unten live konsultiert werden können, verweisen damit auf einen knappen Ausgang.

Abbildung 1:

[BlazingChart charttype="highcharts" source="Spain"]

Es wird zu einem Links- oder Rechtsbündnis kommen

Angesichts dessen, dass weder ein Links- noch ein Rechtsbündnis eine Parlamentsmehrheit erreichen dürfte, wird das Verhalten der Sozialisten entscheiden. Die Frage ist nun, ob die Sozialisten bereit sind, eine Minderheitsregierung mit Podemos unter Duldung von baskischen und/oder katalanischen Nationalisten einzugehen oder ob sie den Weg in die Opposition wählen und ein Bündnis zwischen dem Partido Popular und Ciudadanos tolerieren.

Für nur wenig wahrscheinlich halten die Studierenden interessanterweise eine Minderheitsregierung des Partido Popular oder ein Bündnis zwischen Sozialisten und Ciudadanos. Damit wird deutlich, dass es sich in Spanien um eine Richtungswahl zwischen einem Links- und einem Rechtsbündnis handelt.


Titelbild: Die vier Parteivorsitzenden Mariano Rajoy, Pedro Sánchez, Pablo Iglesias und Albert Rivera. Collage: DeFacto.