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Juniorpartner Podemos oder Neuwahlen? Spaniens Politik im Dilemma.

Oliver Strijbis
21st Dezember 2015

Dilemma nach den Parlamentswahlen in Spanien: Der Partido Popular ist nach wie vor die stärkste Partei, für die Mehrheit reichte es aber nicht mehr. Podemos wurde zur drittstärksten Kraft. Wird das Land demnächst von einer linken Koalition regiert? Oder kommt es sogar zu Neuwahlen? Eine Einschätzung. 

Die spanischen Parlamentswahlen vom Sonntag, 20. Dezember 2015, haben die erwartete Fragmentierung des Parlamentes und damit die Notwendigkeit der Bildung einer Regierungskoalition hervorgebracht. Die bisherige Regierungspartei, der konservative Partido Popular (PP), hat am meisten Stimmen erhalten. Dem Partido Popular fehlt es nach Korruptionsskandalen und einer Legislatur mit starker Polarisierung aber an möglichen Koalitionspartnern.

Der Partido Socialista Obrero Español (PSOE), die einst stolzen Sozialisten, haben gestern ihr historisch schlechtestes Wahlergebnis erzielt, es aber gerade noch geschafft, als zweitgrösste Partei ins Parlament zu ziehen.

Die neue Linkspartei Podemos wurde auf Anhieb zur drittgrössten Partei. Sie entstand aus einer breiten sozialen Bewegung gegen die Austeritätspolitik der Krisenjahre. Ihr Wähleranteil von über 20,5 Prozent bedeutet zwar einen grossen Erfolg für Podemos, doch der Umstand, dass die neue Linkspartei hinter den Sozialisten (22 Prozent Wähleranteil) gelandet ist, stürzt sie in ein Dilemma.

Abbildung:  Spanien_Anteile
Podemos im Dilemma

Podemos ist mit zwei wenig attraktiven Handlungsoptionen konfrontiert: Entweder sie geht als Juniorpartnerin mit den Sozialisten eine Minderheitsregierung ein oder sie blockiert die Regierungsbildung und provoziert damit Neuwahlen. Podemos hat nicht nur den geringeren Wähleranteil als die Sozialisten erzielt, sondern erhält aufgrund der spanischen Wahlkreiseinteilung auch nur 69 Sitze. Das sind deutlich weniger als die Sozialisten, die neu 90 Sitze innehaben.

Bei einer allfälligen linken Regierungskoalition wird das Amt des Premiers, der in Spanien als Präsident bezeichnet wird, den Sozialisten vorenthalten sein. Diese Ausgangslage macht eine Regierungsbeteiligung für Podemos wenig attraktiv, denn sie würde den Sozialisten die Führungsposition im linken Lager überlassen müssen. Ausserdem könnte Podemos wichtige Wahlversprechen nicht umsetzen, beispielsweise die Durchführung eines Referendums in Katalonien. Ein solches Referendum würde einer Verfassungsänderung bedürfen. Da der Partido Popular aber mehr als ein Drittel der Parlamentssitze innehat, wird er weiterhin jede Verfassungsänderung  blockieren können.

Oder doch Neuwahlen?

Wenn Podemos keine Minderheitsregierung mit den Sozialisten eingehen will, dürfte es zu Neuwahlen kommen. Das wäre ein riskantes Unterfangen für Podemos, denn die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass es dem Partido Popular nach einem erneuten Urnengang doch noch zu einer Regierungsbildung reichen könnte. Das Argument, der einzige Garant für Stabilität zu sein, könnte die Wählerschaft am Ende eben doch ü̈berzeugen. 

Angesichts des spanischen Wahlsystems, welches die wählerstärkste Partei bei der Sitzverteilung stark bevorzugt, kann auch eine nur leichte Verbesserung des Wahlergebnisses zu einer Mehrheit der Konservativen im Parlament führen. Damit würde Podemos zur Stiegbügelhalterin einer Regierung des von ihr so gehassten Partido Popular.

Linke Koalition ist das wahrscheinlichste Szenario

Das wahrscheinlichste Szenario ist darum, dass Podemos eine Koalition mit den Sozialisten eingehen wird. Begünstigt durch eine zaghafte wirtschaftliche Erholung dürfte dies – ähnlich wie in Portugal – zur Zurücknahme von diversen unter den Vorgängerregierungen beschlossenen Sparmassnahmen führen. Zu grossen Würfen wie der Durchführung eines Unabhängigkeitsreferendums in Katalonien dürfe es aber so schnell nicht kommen.


Foto: Der Podemos-Parteivorsitzende Pablo Iglesias Turrión in Madrid, 16. Januar 2014. Quelle: Wikimedia Commons.