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Frauen auf den Nationalratslisten: Untervertreten, aber auf guten Plätzen

Fabrizio Gilardi
2nd Oktober 2015

Gut ein Drittel aller Kandidaturen für den Nationalrat sind Frauen. Bei der SP und den Grünen machen Frauen rund die Hälfte der Kandidaturen aus. Bei der SVP hingegen ist weniger als jede fünfte Kandidatur von einer Frau. Die Listenplätze der Kandidatinnen sind aber nicht systematisch schlechter als die der Kandidaten. Auch nicht in den Parteien, die nur wenige Kandidatinnen aufstellen.

Jede dritte Kandidatur auf den Parteienlisten für die Nationalratswahlen 2015 ist eine Frau. Manche Parteien haben Listen, auf denen Frauen und Männer ähnlich vertreten sind. Andere überhaupt nicht.

Guter Listenplatz - gute Wahlchancen 

Der Anteil Kandidatinnen alleine entscheidet aber noch nicht über die Frauenvertretung in der Politik. Eine Kandidatin muss auch gewählt werden. Und damit eine Kandidatin gewählt wird, muss sie realistische Wahlchancen haben.

Eine wichtige Rolle spielt dabei der Listenplatz. Je weiter oben ein Name auf einer Wahlliste, desto besser sind die Wahlchancen.

Keine Listenplatzdiskriminierung für Frauen

Frauen haben für die kommenden Nationalratswahlen gleich gute Listenplätze wie Männer, zum Teil sogar bessere. Dies ist auch in den Parteien so, die wenige Frauen in ihren Reihen zählen, beispielsweise bei der SVP.

Mit der Ausnahme der Piratenpartei gibt es keinen Listenplatznachteil von Kandidatinnen. Frauen werden also nicht systematisch weiter unten auf der Liste platziert.

Auf den Listen der BDP, der CVP, der PdA und der Jungpartei der BDP haben Frauen im Durchschnitt sogar bessere Listenplätze als Männer. In der BDP sind Frauen im Durchschnitt ca. vier Listenplätze weiter oben platziert als Männer. Bei der CVP haben die Kandidatinnen im Durchschnitt zwei Plätze Vorsprung auf die Kandidaten.

Zusammenhang Listenplatzierung und Anteil Frauen auf den Listen für die Nationalratswahlen 2015

Listenplatz Frauen

Quelle: Bundesamt für Statistik 2015, eigene Berechnungen.

Parteien entscheiden, wie die Listenplätze vergeben werden

Parteien sind frei, ihre Listenplätze nach eigenem Gutdünken zu vergeben. In einigen Parteien gibt es diesbezüglich festgelegte Regeln, in anderen Parteien wird dies von der Parteileitung entschieden oder hängt von anderen Faktoren ab. Bisherige stehen meistens auf den oberen Listenplätzen.

Manche Parteien treten mit sogenannten Zebralisten an und platzieren Frauen und Männer alternierend. Andere Parteien vergeben Spitzenlistenplätze bewusst an Frauen. Diese Art der Frauenförderung probierte die SVP Zürich gleich mehrmals - erfolglos [1].

Mehr Kandidaten, weniger Kandidatinnen

Frauen haben für die kommenden Nationalratswahlen gleich gute Listenplätze wie Männer, zum Teil sogar bessere. Dies ist auch in den Parteien so, die wenige Frauen in ihren Reihen zählen, beispielsweise bei der SVP. Die Frage ist eher, weshalb es weniger Kandidatinnen als Kandidaten gibt. 

Das Fehlen von zur Verfügung stehenden Kandidatinnen gilt inzwischen als eine der grössten Hürden auf dem Weg zu einer ausgeglicheneren Geschlechtervertretung in der Politik. Alle strukturellen Nachteile für Frauen in gewissen politischen Institutionen und Wahlsystemen sind noch nicht ausgemerzt. Doch die Tatsache, dass weniger Frauen als Männer kandidieren, ist für die Untervertretung der Frauen in der Politik genauso mitverantwortlich.

Wie andere Untersuchungen zeigen, ist die Motivation, sich für ein politisches Amt zur Verfügung zu stellen, bei Frauen tiefer als bei Männern. Dies hat viele Ursachen. Zum einen die Sozialisierung und die Erwartung an Frauen. Zum anderen ist auch die Wahrnehmung und Behandlung der Politikerinnen entscheidend, ob sich Frauen in der Politik exponieren wollen. 

Und nicht zuletzt kommt auch den Parteien eine wichtige Rolle zu, wie meine Auswertungen zeigen.

[1] 2011 kandidierte die ausserhalb der SVP eher unbekannte Antia Borer auf dem zweiten Listenplatz für den Nationalrat. Sie blieb erfolglos und landete abgeschlagen auf dem auf 17. Platz . 2003 trat Rahel Grütter-Eckert auf dem siebten Platz an, sie wurde nicht gewählt und fiel auf den 15. Listenplatz zurück.

INFOBOX: Hinweise zur Analyse

Die Abbildung zeigt den Listenplatzvorteil bzw. den Listenplatznachteil von Frauen.

Je weiter rechts eine Partei im Bild platziert ist, desto grösser ist der Frauenanteil auf ihren Listen. Am meisten Kandidatinnen finden sich bei den Grünen. Am wenigsten bei den Piraten. 

Je weiter oben eine Partei im Bild platziert ist, desto bessere Listenplätze haben Kandidatinnen im Vergleich zu Kandidaten. 

In den Parteien BDP, CVP, PdA und der Jungpartei der BDP (rot geschrieben) haben die Kandidatinnen signifikant bessere Listenplätze als die Kandidaten. Bei den Piraten haben die Kandidatinnen signifikant schlechtere Listenplätze. In den anderen Parteien ist die Differenz nicht signifikant (türkis geschrieben). 

Für die Analyse wurde ein OLS-Regressionsmodell pro Partei geschätzt, wobei alle Parteien berücksichtigt werden, die in mindestens fünf Kantonen antreten.

Die abhängige Variable ist der Listenplatz (je höher, desto besser). Die unabhängigen Variable sind das Geschlecht, der Bisherigenstatus und die Kantone. 


Referenzen:

  • Bundesamt für Statistik (2015). Nationalratswahlen 2015: Listen, Kandidaturen und Listenverbindungen. Datensatz. Neuchâtel: BFS, Abteilung Politik.

  • Fox, Richard L. und Jennifer L. Lawless (2014). Uncovering the Origins of the Gender Gap in Political Ambition. American Political Science Review 108(3): 499–519.

  • Gilardi, Fabrizio (2015). The Temporary Importance of Role Models for Women's Political Representation. American Journal of Political Science: forthcoming.

  • Lawless, Jennifer L. (2015). Female Candidates and Legislators. Annual Review of Political Science 18(1): 349–366.

Foto: Fabrizio Gilardi