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Walliser sind die fleissigsten Wähler

Pascal Burkhard, Sarah Bütikofer
1st Oktober 2015

In der Schweiz geht im Durchschnitt fast jeder Zweite an die Urne. Zwischen den Regionen gibt es aber beachtliche Unterschiede.  

Bei den nationalen Parlamentswahlen 2011 bemühte sich knapp die Hälfte der Schweizer Stimmberechtigten an die Urne. Mit 48.5 Prozent Wahlbeteiligung erreichten die letzten Wahlen den besten Wert seit 1983. Doch die Wahlbeteiligung variiert stark zwischen den Kantonen und den Gemeinden.

Die untenstehende Karte zeigt die Wahlbeteiligung der einzelnen Schweizer Gemeinden bei den Nationalratswahlen 2011.

 

Nirgends in der Schweiz war die Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen 2011 so hoch wie in der Walliser Gemeinde Saas-Almagell: 251 der 289 Wahlberechtigten legten damals ihre Wahlzettel in die Urne, das ergibt eine Wahlbeteiligung von rekordhohen 86.9 Prozent. Das ist fast doppelt so viel wie im Schweizer Durchschnitt.  

Hohe Wahlbeteiligung in Walliser CVP-Gemeinden

Die kleine Gemeinde im Saastal ist in ihrer Region keine Ausnahme, denn unter den fünfzig Schweizer Gemeinden mit der höchsten Wahlbeteiligung befinden sich 36 im Wallis. Im Wallis ist nicht nur die Wahlbeteiligung hoch, auch die CVP ist bekanntlich hoch im Kurs: In den Gemeinden mit hoher Wahlbeteiligung ist die CVP fast ausnahmslos die stärkste Partei. Kippel ist die Gemeinde mit dem schweizweit höchsten CVP-Wähleranteil (87.2 Prozent). Sie liegt im Lötschental und weist mit 84.7 Prozent die dritthöchste Wahlbeteiligung aus.  

Liste der zehn wahleifrigsten Gemeinden (2011)
Gemeinde Kanton Wahlberechtigte Wählende Wahlbeteiligung
St. Martin Graubünden 24 2 8.3 %
Cama Graubünden 357 93 26.1 %
Henniez Waadt 176 50 28.4 %
Santa Maria in C. Graubünden 97 28 28.9 %
Roveredo Graubünden 1606 464 28.9 %
La Ferrière Bern 398 119 29.9 %
Glarus Nord Glarus 11049 3325 30.1 %
Leggia Graubünden 96 29 30.2 %
Sonvilier Bern 823 249 30.3 %
Rougemont Waadt 522 158 30.3 %
Obwaldner Kampfwahl lockte Wähler in Scharen an die Urne

Viele der Gemeinden mit einer sehr hohen Wahlbeteiligung liegen im Wallis. Aber der Kanton mit der durchschnittlich höchsten Beteiligung an den Wahlen ist der Kanton Obwalden. Vor vier Jahren vermochte die Kampfwahl zwischen Karl Vogler (Christlichsoziale Partei Obwalden) und Christoph von Rotz (SVP) um den einzigen Nationalratssitz fast zwei Drittel der wahlberechtigen Obwaldnerinnen und Obwaldner an die Urne zu locken. 

Wahlpflicht führt ebenfalls zu hoher Beteiligung

Schaffhausen ist der einzige Kanton, der eine Stimm- und Wahlpflicht kennt. Nichtwähler müssen heute mit einer Busse in der Höhe von sechs Franken rechnen. Die Stimm- und Wahlpflicht führte traditionell dazu, dass die Schaffhauserinnen und Schaffhauser fleissiger als der Schweizer Durchschnitt an Wahlen teilnahmen. 2011 ging die Wahlbeteiligung in Schaffhausen allerdings zurück und erreichte mit 60.8 Prozent einen historischen Tiefstand. 

Mehr Nichtwähler in der Westschweiz – und Zürich

Es gibt auf der anderen Seite auch Erklärungen für eine unterdurchschnittliche Wahlteilnahme. Eine traditionell tiefe Wahlbeteiligung an nationalen Wahlen ist in der Westschweiz festzustellen. Dort weisen im Vergleich zur Deutschschweiz dafür lokale Wahlen in der Regel höhere Beteiligungswerte auf.

Leicht unter dem Durchschnitt lag die Beteiligung 2011 auch in Stadt und Kanton Zürich. Rund 46 Prozent der Stadtzürcher Stimmberechtigten, gingen an die Urne. Besonders deutlich zeigt sich die tiefe Mobilisierung der Stimmberechtigten in der Agglomeration: Vor allem in den Gebieten der nördlichen Agglomeration rund um Zürich sticht die schwache Wahlteilnahme von weniger als 40 Prozent ins Auge.  

Tiefe Beteiligung bei konkurrenzlosen Wahlen

Auffallend tief war die Beteiligung 2011 auch in den drei Gemeinden des Kantons Glarus. Diese ist dadurch zu erklären, dass BDP-Kandidat Martin Landolt praktisch ohne nennenswerte Konkurrenz antrat. Die gleiche Erklärung gilt für die Gemeinden in Appenzell-Innerrhoden, in denen der CVP-Kandidat Daniel Fässler mit einem hohen Wähleranteil gewann. Ganz allgemein hängt die Beteiligung an Wahlen in Majorzkantonen stark davon ab, wie kompetitiv die Wahlen sind und ob die Wählerinnen und Wähler auch tatsächlich vor eine Wahl gestellt werden. 

Liste der zehn wahlfaulsten Gemeinden 2011
Gemeinde Kanton Wahlberechtigte Wählende Wahlbeteiligung
St. Martin Graubünden 24 2 8.3 %
Cama Graubünden 357 93 26.1 %

Henniez Waadt 176 50 28.4 %

Santa Maria in C. Graubünden 97 28 28.9 %

Roveredo Graubünden 1606 464 28.9 %

La Ferrière Bern 398 119 29.9 %

Glarus Nord Glarus 11049 3325 30.1 %

Leggia Graubünden 96 29 30.2 %

Sonvilier Bern 823 249 30.3 %

Rougemont Waadt 522 158 30.3 %
Sind Katholiken die eifrigeren Wähler?

In der Partizipationsforschung gibt es eine Reihe von Ansätzen, mit welchen unterschiedliche Wahlbeteiligungen zu erklären versucht werden. In der Regel werden dafür Unterschiede im Bildungsstand, der wirtschaftlichen Lage oder der Altersstruktur der Wählerschaft herbeigezogen. Tendenziell ist die Beteiligung in Gemeinden mit vielen Gutgebildeten und älteren Personen höher.

Zur Erklärung von regionalen Unterschieden sprechen Beobachter gerne von einer politischen Kultur, die in der Zentralschweiz sowie den Kantonen Wallis oder Tessin in Hinblick auf politische Partizipation besonders ausgeprägt ist.  

So nannte der Politikwissenschaftler Markus Freitag vor zehn Jahren den „Katholizismus als Schubkraft der politischen Beteiligung“. In seinen statistischen Modellen erwies sich der Anteil der Katholiken in einer Gemeinde als stärkste Erklärungskraft für die Partizipation an kantonalen Wahlen. Ob dieser Zusammenhang auch für nationale Wahlen gilt, wurde bisher aber nicht wissenschaftlich untersucht.

Kanton Wahlbeteiligung Katholikenanteil
Obwalden 64.3 % 74.3 %
Wallis 61.8 % 75.4 %
Nidwalden 60.9 % 68.6 %
Schaffhausen 60.8 % 22.8 %
Zug 55.1 % 53.4 %
Tessin 54.3 % 68.8 %
Solothurn 51.7 % 37.6 %
Luzern 50.9 % 65.2 %
Schwyz 50.5 % 65.8 %
Bern 50.4 % 16.0 %
Basel-Stadt 50.3 % 19.7 %
Uri 49.8 % 81.5 %
Aargau 48.5 % 35.4 %
Basel-Landschaft 48.2 % 28.5 %
Appenzell Ausserrhoden 47.5 % 30.7 %
Freiburg 47.2 % 64.0 %
Zürich 46.8 % 28.0 %
St. Gallen 46.8 % 47.2 %
Thurgau 46.7 % 32.6 %
Graubünden 45.1 % 44.0 %
Jura 44.4 % 68.8 %
Neuenburg 42.4 % 24.6 %
Genf 42.4 % 36.6 %
Waadt 41.6 % 30.9 %
Appenzell Innerrhoden 37.3 % 73.7 %
Glarus 34.2 % 36.5 %

Quellen:

Titelbild: DeFacto