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Noch nie wollten so viele in den Nationalrat wie 2015

Sandro Lüscher
1st Oktober 2015

Über 3800 Personen wollen am 18. Oktober in den Nationalrat gewählt werden. Das ist ein neuer Rekord. Die Wahlchancen sind allerdings ungleich verteilt. Wir zeigen den Run auf die Sitze pro Kanton und gehen dem Anstieg der Kandidierenden über die Zeit nach.

So viele Kandidierende wie noch nie - die Konkurrenz pro Nationalratssitz nahm seit 2003 stetig zu. Dies gilt aber nicht für alle Kantone. 

Zunehmender Kandidatenwettbewerb

Der Kandidatenwettbewerb ist gesamtschweizerisch gestiegen. Vor zwölf Jahren wollten gut 2'800 Personen in den Nationalrat. Inzwischen kämpfen schon über 3'800 Kandidierende um den Einzug ins Parlament. Im Durchschnitt und ungeachtet des Wahlsystems im Kanton, entspricht das knapp 20 Personen pro Sitz. 

Die nachfolgende Grafik zeigt wie das Verhältnis von Kandidierenden und Sitzen bei den Nationalratswahlen 2003, 2007, 2011 und 2015 in der Schweiz und den einzelnen Kantonen aussah.

Anzahl Kandidierende pro Nationalratssitz

Die Konkurrenz pro Sitz nahm seit 2003 in praktisch allen Kantonen zu. Nur in den Kantonen Aargau und Schwyz kämpfen 2015 im Vergleich zu 2011 etwas weniger Kandidierende um die zur Verfügung stehenden Sitze. Im Kanton Aargau ist dies umso erstaunlicher, wenn man sich vor Augen hält, dass dieser Kanton für die Wahlen 2015 einen Sitz mehr zu vergeben hat als noch bei den Wahlen 2011. Eine einzelne Kandidatur scheint aus unter diesen Voraussetzungen attraktiver, da die Gewinnchancen gestiegen sind. Doch der Entscheid zur Kandidatur hängt von anderen Faktoren ab als von der rein rechnerischen Wahlchance. In Bern oder Solothurn, die beide je einen Sitz abgeben müssen, bewerben sich in diesem Jahr nämlich nicht weniger, sondern noch mehr Kandidierende um die verfügbaren Sitze als vor vier Jahren.

Ungleich verteilte Wahlchancen in den Kantonen

Abgesehen davon, dass ohnehin nur wenige Kandierende ernsthafte Chancen haben, einen Sitz zu gewinnen, sind auch die rein rechnerischen Wahlwahrscheinlichkeiten ungleich verteilt. So hat zum Beispiel eine Kandidatur aus Schaffhausen bei den Wahlen 2015 rechnerisch mehr als doppelt so gute Chancen auf einen Sitzgewinn wie eine Kandidatur aus Zürich. In Schaffhausen bewerben sich 21 Personen um die zwei Sitze, also nur gut zehn Personen pro Sitz. In Zürich kämpfen über 870 Personen um 35 Plätze, das ergibt fast 25 Kandidaturen für einen Platz.

Doppelte Mobilisierung als Folge der Polarisierung

Seit den 1990er Jahren ist in der Schweiz eine erhöhte Wahlteilnahme zu beobachten. Diese steht im Zusammenhang mit der Polarisierung des Schweizer Parteiensystems und der damit verbundenen Auseinandersetzung um die Regierungszusammensetzung. Wenn der politische Wettbewerb zunimmt, lassen sich mehr Wahlberechtigte mobilisieren, an den Wahlen teilzunehmen. Offenbar aber nicht nur Wahlberechtigte, sondern auch Personen mit Ambitionen auf ein politisches Amt. Ungeachtet der kantonalen Unterschiede in den Wahlchancen, wollen immer mehr Leute in Bern mitreden können. 


Quellen: 

Foto: Sandro Lüscher