Keine Tabakwerbung dank der EU?

Der Ruf von Tabak und Ziga­ret­ten­rauch hat sich in den letz­ten Jahr­zehn­ten ver­än­dert. Statt einer wohl­ver­dien­ten Erho­lung gilt der Ziga­ret­ten­kon­sum vor allem als eine ernst­haf­te Gesund­heits­ge­fähr­dung. In vie­len Län­dern ver­bie­ten Regie­run­gen das Rau­chen an öffent­li­chen Orten, erhö­hen Ziga­ret­ten­steu­ern und schrän­ken Tabak­wer­bung sowie Spon­so­ring von Ver­an­stal­tun­gen durch Tabak­un­ter­neh­men mas­siv ein. Dabei kommt der Begren­zung von Wer­bung und Spon­so­ring eine beson­de­re Bedeu­tung zu, da sie vor allem für den Jugend­schutz als beson­ders wirk­sam erach­tet wird.

In der Schweiz tei­len sich Bund und Kan­to­ne die Kom­pe­ten­zen zur Regu­lie­rung der Tabak­wer­bung. Bereits 1964 unter­sag­te der Bund Tabak­wer­bung im Fern­se­hen. Wei­te­re umfas­sen­de Regu­lie­run­gen auf Bun­des­ebe­ne folg­ten jedoch nicht. Die Vor­la­ge zum natio­na­len Tabak­pro­duk­te­ge­setz, wel­che im Dezem­ber 2017 in die Ver­nehm­las­sung ging, ent­hält jedoch kei­ne Bestim­mun­gen mehr für umfas­sen­de­re Wer­be­ver­bo­te. Dies sind bei­spiels­wei­se Ver­bo­te der Tabak­wer­bung in Kinos, auf Pla­ka­ten und in der bezahl­ten Presse.

Kantonale Begrenzungen der Tabakwerbung

Man­che Kan­to­ne haben Tabak­wer­bung jedoch wei­ter ein­ge­schränkt als es in der Vor­la­ge für das Bun­des­ge­setz defi­niert ist. Das Ver­bot im Jahr 2000 in Genf wur­de zwei Jah­re spä­ter vom Bun­des­ge­richt bestä­tigt. Bis 2010 tra­ten in 14 wei­te­ren Kan­to­nen Regu­lie­run­gen der Tabak­wer­bung in Kraft. Zusätz­li­che Kan­to­ne folg­ten jedoch nicht. Nach den Infor­ma­tio­nen des Bun­des­am­tes für Gesund­heit führ­te  nur der Kan­ton Obwal­den im Jahr 2016 eine Ver­ord­nung zur Regu­lie­rung der Tabak­wer­bung ein.

Warum gibt es Unterschiede zwischen Kantonen?

Wie kön­nen die Unter­schie­de in der Tabak­wer­be­re­gu­lie­rung zwi­schen den Schwei­zer Kan­to­nen erklärt wer­den? In mei­ner For­schung zei­ge ich, dass ver­schie­de­ne Erklä­rungs­fak­to­ren dafür her­an­ge­zo­gen wer­den kön­nen, wie etwa eine Befür­wor­tung der Bevöl­ke­rung für Tabak­wer­be­ver­bo­te, Tabak­an­bau und ‑ver­ar­bei­tung im Kan­ton, Wer­be­ver­bo­te in angren­zen­den Kan­to­nen, sowie die Unter­stüt­zung der Bevöl­ke­rung für die Euro­päi­sche Uni­on (EU).

Im Beson­de­ren erör­te­re ich die Rol­le der Unter­stüt­zung der EU in der Bevöl­ke­rung für kan­to­na­le Regu­lie­run­gen der Tabak­wer­bung. Ich argu­men­tie­re, dass eine höhe­re Unter­stüt­zung für die euro­päi­sche Inte­gra­ti­on in der Bevöl­ke­rung die Wahr­schein­lich­keit erhöht, dass die kan­to­na­le Regie­rung Mass­nah­men ergreift, um Tabak­wer­bung zu beschrän­ken. Im Gegen­zug wird weni­ger popu­lä­re Unter­stüt­zung für euro­päi­sche Inte­gra­ti­on die Wahr­schein­lich­keit von Wer­be­ver­bo­ten ver­rin­gern. Ein sol­ches Argu­ment ist plau­si­bel da die EU Tabak­wer­bung regu­liert und damit in vie­len EU Mit­glieds­staa­ten auf die Agen­da gesetzt hat. Dem­entspre­chend haben Schwei­zer Medi­en­be­rich­te Regu­lie­run­gen der Tabak­wer­bung als eine EU Poli­tik dargestellt.

Folg­lich ist die Unter­stüt­zung in der Bevöl­ke­rung für die EU ein vali­des Mess­in­stru­ment um die Zustim­mung der Wäh­ler­schaft für die Regu­lie­rung der Tabak­wer­bung zu erfas­sen. Der Grad der popu­lä­ren Unter­stüt­zung für die euro­päi­sche Inte­gra­ti­on ist ein kogni­ti­ves Signal, um zu ver­ste­hen, ob die Bevöl­ke­rung Regu­lie­run­gen wie bei­spiels­wei­se Tabak­wer­be­ver­bo­te unter­stüt­zen wür­de. Die Ver­wen­dung sol­cher kogni­ti­ver Signa­le durch poli­ti­sche Ent­schei­dungs­trä­ger ist nicht unge­wöhn­lich. Ein ande­res pro­mi­nen­tes Bei­spiel, das Poli­ti­ker her­an­zie­hen, um die Unter­stüt­zung der Wäh­ler für die Regie­rung ein­zu­schät­zen, ist der Zustand der Volks­wirt­schaft. Die Ergeb­nis­se mei­ner For­schun­gen zei­gen, dass eine höhe­re Unter­stüt­zung der Bevöl­ke­rung die Regu­lie­rung der Tabak­wer­bung durch die Kan­tons­re­gie­rung wahr­schein­li­cher macht. Die­ser Effekt ist beson­ders stark, wenn es kei­nen kan­to­na­len Tabak­an­bau gibt und die Tabak­in­dus­trie nicht im Kan­ton ansäs­sig ist.

Keine Tabakwerbung dank der EU?

Europäische Integration als Dimension der Politikdiffusion

Mei­ne For­schung lie­fert neue Erkennt­nis­se über die Ver­brei­tung (Dif­fu­si­on) öffent­li­cher Poli­ti­ken. Spe­zi­fisch kann gezeigt wer­den, dass Regie­run­gen die Ein­stel­lung der Bevöl­ke­rung zu einer über­ge­ord­ne­ten Regie­rungs­ebe­ne als Signal ver­wen­den, um zu ent­schei­den, ob zusätz­li­che Regu­lie­run­gen poli­ti­sche Unter­stüt­zung haben. Die Dif­fu­si­ons­for­schung hat bereits den Zusam­men­hang zwi­schen der Unter­stüt­zung der Wäh­ler in Land A für eine bestimm­te Poli­tik in Land B mit Refor­men in Land A in Ver­bin­dung gebracht. Der Zusam­men­hang zwi­schen der Ver­ab­schie­dung von Tabak­wer­bungs­be­schrän­kun­gen durch Schwei­zer Kan­to­ne und der Unter­stüt­zung der Bevöl­ke­rung für die euro­päi­sche Inte­gra­ti­on zeigt eine wei­te­re Dimen­si­on, die für die For­schung über die Dif­fu­si­on von Poli­tik­mass­nah­men wich­tig ist.


Biblio­gra­phie:

Trein, Phil­ipp. 2017. “Euro­pea­ni­sa­ti­on bey­ond the Euro­pean Uni­on: tob­ac­co adver­ti­sing bans in Swiss can­tons.” Jour­nal of Public Poli­cy 37 (2):113–43.

Bild: Wiki­me­dia Com­mons.

image_pdfimage_print