Wahldiskriminierung von Kandidierenden mit Migrationshintergrund

Es ist schwie­rig, Dis­kri­mi­nie­rung zu defi­nie­ren und es ist noch schwie­ri­ger, sie zu mes­sen. Das Schwei­zer Wahl­sys­tem ist aber beson­ders geeig­net, um Dis­kri­mi­nie­rung bei den Wah­len zu unter­su­chen, da es der Wäh­ler­schaft ermög­licht, miss­lie­bi­ge Kan­di­die­ren­de auf den Wahl­lis­ten schlicht und ein­fach zu strei­chen. Wir haben die Wahl­zet­tel bei den loka­len Wah­len 2014 im Kan­ton Zürich ana­ly­siert und konn­ten die wohl bereits bestehen­de Ver­mu­tung bele­gen:  Kan­di­die­ren­de mit «nicht-Schwei­zer» Namen wer­den häu­fi­ger von den Par­tei­lis­ten gestri­chen. Ins­be­son­de­re auf Lis­ten der Par­tei­en im rechts und mit­te-rechts Spek­trum haben es die­se Kan­di­die­ren­de schwer.

Die meis­ten von uns glau­ben zu wis­sen, was Dis­kri­mi­nie­rung ist und wes­halb dis­kri­mi­nie­ren­des Ver­hal­ten falsch ist. Schliess­lich ist der Begriff «Dis­kri­mi­nie­rung» im der­zei­ti­gen öffent­li­chen Dis­kurs omni­prä­sent. Den­noch stellt es sich als kom­ple­xe Ange­le­gen­heit her­aus, den Begriff Dis­kri­mi­nie­rung zu definieren. 

Rechts­theo­re­ti­ker, Sozio­lo­gen, Poli­to­lo­gen und For­schen­de ande­rer Dis­zi­pli­nen haben kürz­lich neue Ein­bli­cke dies­be­züg­lich her­vor­ge­bracht, wobei noch immer kein Kon­sens betref­fend einer Defi­ni­ti­on besteht. Und auch wenn wir uns dar­über einig wür­den, was Dis­kri­mi­nie­rung ist, blie­be eine wei­te­re schwie­ri­ge Auf­ga­be bestehen: Wie kön­nen wir Dis­kri­mi­nie­rung empi­risch messen?

In unse­rer Stu­die fokus­sie­ren wir uns auf die soge­nann­te «Wahl­dis­kri­mi­nie­rung». Wir spre­chen von Wahl­dis­kri­mi­nie­rung, wenn Kan­di­die­ren­de auf­grund ihrer Zuge­hö­rig­keit zu einer Min­der­heit Nach­tei­le erlei­den, wenn sie sich für ein poli­ti­sches Amt zur Wahl auf­stel­len las­sen. Dies trifft zu, wenn Wäh­ler, die im Hin­blick auf ihre Her­kunft der Mehr­heit ange­hö­ren, Kan­di­die­ren­de mit über­ein­stim­men­den Iden­ti­täts­zü­gen gegen­über von Min­der­hei­ten bevor­zu­gen. Im US-Kon­text haben zahl­rei­che Stu­di­en die Annah­me unter­sucht, dass weis­se Wäh­le­rin­nen und Wäh­ler dazu ten­die­ren, weis­se Kan­di­die­ren­de gegen­über von schwar­zen und his­pa­ni­schen Kan­di­die­ren­den vor­zu­zie­hen. Im Schwei­zer Kon­text besagt die Wahl­dis­kri­mi­nie­rungs­the­se, dass Kan­di­die­ren­de mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund, bzw. mit einem «nicht-typi­schen» Schwei­zer Namen, poten­zi­ell bei Wah­len dis­kri­mi­niert werden.

Die Wahl­dis­kri­mi­nie­rung in der Schweiz zu unter­su­chen ist beson­ders ergie­big, auf­grund des hie­si­gen Wahl­sys­tems, wel­ches den Wäh­lern erlaubt, Kan­di­die­ren­de von ihren Wahl­zet­teln zu strei­chen. Mit ande­ren Wor­ten kön­nen im Schwei­zer Pro­porz­sys­tem Wäh­le­rin­nen und Wäh­ler den Kan­di­die­ren­den nicht nur posi­ti­ve, son­dern auch nega­ti­ve Prä­fe­ren­zen zuordnen.

Daten und Methodik

Für unse­re Stu­die haben wir Daten von ein­zel­nen Wahl­zet­teln aus sechs kom­mu­na­len Wah­len im Kan­ton Zürich gesam­melt. Ähn­lich wie Phil­ip­pe Koch (2016) haben wir eine öffent­lich zugäng­li­che Daten­bank ver­wen­det, um die Namen aller Kan­di­die­ren­den in zwei Kate­go­rien ein­zu­tei­len: «Schwei­zer» und «Nicht-Schwei­zer». Danach haben wir unter­sucht, ob – wenn eine Rei­he von Fak­to­ren ver­gleich­bar sind – Kan­di­die­ren­den mit «Nicht-Schwei­zer» Namen einen Nach­teil hatten. 

Unse­re Resul­ta­te zei­gen, dass Kan­di­die­ren­de mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund bei den kom­mu­na­len Wah­len in Zürich von 2014 tat­säch­lich benach­tei­ligt waren. Zu sehen ist dies anhand der zusätz­li­chen nega­ti­ven Prä­fe­renz­stim­men, wel­che sie im Ver­gleich zu ähn­li­chen Kan­di­die­ren­den mit Schwei­zer Namen erhal­ten haben. Die­ser Effekt war stär­ker bei Kan­di­die­ren­den, wel­che sich auf Lis­ten von rech­ten und mit­te-rechts Par­tei­en zur Wahl auf­stel­len lies­sen, als bei Kan­di­die­ren­den auf Lis­ten von lin­ken Par­tei­en. Dabei soll unter­stri­chen wer­den, dass Kan­di­die­ren­de mit «nicht-Schwei­zer» Namen mehr Mühe haben, über­haupt auf die Lis­ten von rech­ten und mit­te-rechts Par­tei­en zu gelan­gen (Koch 2016).

Über­ra­schen­der­wei­se – in Bezug auf eine frü­he­re Stu­die – konn­ten wir nicht zei­gen, dass Kan­di­die­ren­de mit west­li­chen «nicht-Schwei­zer» Namen (zum Bei­spiel Namen aus Eng­land, Spa­ni­en oder Skan­di­na­vi­en) bes­ser­ge­stellt waren als Kan­di­die­ren­de mit Namen aus dem frü­he­ren Jugo­sla­wi­en oder der Türkei.

Das Novum aus unse­rer Stu­die ist der ein­zig­ar­ti­ge Daten­satz, der es uns erlaub­te, das Phä­no­men der Wahl­dis­kri­mi­nie­rung in einer rea­len Umwelt zu unter­su­chen. Im Ver­gleich zu bis­he­ri­gen Stu­di­en – wel­che sich nor­ma­ler­wei­se auf aggre­gier­te Wahl­da­ten, Expe­ri­men­te oder Umfra­gen ver­las­sen muss­ten – konn­te unse­re Ana­ly­se eini­ge wich­ti­ge metho­do­lo­gi­sche Her­aus­for­de­run­gen ange­hen, die es schwie­rig machen, Dis­kri­mi­nie­rung zu mes­sen. Wir hof­fen, dass unse­re Resul­ta­te und unse­re Metho­de die For­schung zur Wahl­dis­kri­mi­nie­rung ein Stück vor­an­trei­ben können.

 


Biblio­gra­phie:

  • Koch, Phil­ip­pe. 2016. «Wes­sen Par­tei? Eine ver­glei­chen­de Unter­su­chung von Kan­di­da­tin­nen und Kan­di­da­ten mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund bei Schwei­zer Stadt­rats­wah­len». In Béatri­ce Zieg­ler (Hrsg.), Ungleichheit(en) und Demo­kra­tie. Schult­hess, Ss. 43–67. 

Bild: Wiki­me­dia Commons

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