Szenarien für die neue Regierungszusammensetzung in Katalonien

Wie wei­ter in Kata­lo­ni­en? Am 21. Dezem­ber fin­den Neu­wah­len statt, doch ob die­se eine Klä­rung der ver­fah­re­nen Situa­ti­on brin­gen, ist höchst unge­wiss. Unse­re Wahl­bör­se zeigt die Wahr­schein­lich­kei­ten der kom­men­den Regie­rungs­zu­sam­men­set­zung. Zur Zeit sieht es danach aus, als wür­de wie­der eine sepa­ra­tis­ti­sche Regie­rung die Wah­len gewin­nen, aller­dings ohne auf eine abso­lu­te Mehr­heit zu kommen. 

Kata­lo­ni­en erlebt in die­sen Tagen eine aus­ser­ge­wöhn­li­che poli­ti­sche Kri­se. Das gemäss Ver­fas­sungs­ge­richt ille­gi­ti­me Unab­hän­gig­keits­re­fe­ren­dum, die erfolg­lo­sen Ver­hand­lun­gen zwi­schen der spa­ni­schen Zen­tral- und der kata­la­ni­schen Regio­nal­re­gie­rung, die ein­sei­ti­ge Unab­hän­gig­keits­er­klä­rung durch eine knap­pe Mehr­heit des kata­la­ni­schen Par­la­ments und die Abset­zung der Regie­rung sowie Aus­set­zung der regio­na­len Auto­no­mie durch Madrid fol­gen Schlag auf Schlag. Die meis­ten die­ser Ereig­nis­se haben den schon lan­ge schwe­len­den Kon­flikt zwi­schen der Regi­on und Spa­ni­en noch ver­schärft. Kön­nen in die­ser schier aus­weg­lo­sen Situa­ti­on die von der Zen­tral­re­gie­rung für den 21. Dezem­ber aus­ge­ru­fe­nen Neu­wah­len etwas Klä­rung bringen?

Mitt­ler­wei­le steht fest, dass nicht nur die unio­nis­ti­schen Par­tei­en, wel­che sich für die Ein­heit Spa­ni­ens und gegen ein unab­hän­gi­ges Kata­lo­ni­en ein­set­zen, son­dern auch die sepa­ra­tis­ti­schen Par­tei­en an den Wah­len teil­neh­men wer­den. Dies bedeu­tet einen ers­ten Erfolg für die Unio­nis­ten, denn die Sepa­ra­tis­ten wer­den an regio­na­len Wah­len in einem Staat teil­neh­men, den sie nicht mehr als den ihren betrach­ten. Ins­ge­samt scheint die Aus­gangs­la­ge jedoch ungewiss.

 Szenarien für die Regierungsbildung nach den Wahlen

Im kata­la­ni­schen Regio­nal­par­la­ment sind sie­ben Par­tei­en ver­tre­ten. Die Pola­ri­sie­rung auf­grund des Kon­flikts um die natio­na­le Unab­hän­gig­keit haben die ideo­lo­gi­schen Dif­fe­ren­zen zwi­schen die­sen Par­tei­en aber stark ver­rin­gert, in den letz­ten Jah­ren haben sich zwei gros­se, ein­an­der gegen­über­ste­hen­de Blö­cke her­aus­ge­bil­det. Die ent­schei­den­de Fra­ge ist nun, wel­che die­ser bei­den Blö­cke — die Sepa­ra­tis­ten oder die Unio­nis­ten — die Wah­len im Dezem­ber gewin­nen wird. Für die Sepa­ra­tis­ten ist klar: Sie müs­sen die­se Wah­len gewin­nen. Denn nach ihrer ein­sei­ti­gen Unab­hän­gig­keits­er­klä­rung, für wel­che sie nun von der Jus­tiz in Madrid belangt wer­den, kann ihnen nur ein kla­rer Sieg einen Aus­weg aus der Sack­gas­se wei­sen. Ein Sieg der Unio­nis­ten, hin­ge­gen, wür­de einen sie­ben­jäh­ri­gen Pro­zess in Rich­tung Unab­hän­gig­keit abrupt beenden.

Die Par­tei­en im kata­la­ni­schen Regionalparlament
Das kata­la­ni­sche Regio­nal­par­la­ment mit Sitz in Bar­ce­lo­na hat 135 Sit­ze, gewählt wird nach dem Majorz­sys­tem. Bei den letz­ten Wah­len im Jahr 2015 gewann das Bünd­nis Junts pel Sí (JxSí) 62 Sit­ze. Junts pel Sí besteht aus der bür­ger­li­chen Con­ver­gè­ni­cia Demo­crà­ti­ca de Catalunya (CDC),  der Par­tei von Arthur Mas sowie Carles Puig­de­mont, den bei­den letz­ten Prä­si­den­ten Kata­lo­ni­ens,  die seit­her zum Par­ti­do Demó­cra­ta Euro­peo Catalán (PDe­CAT) gewor­den ist, sowie der Links­par­tei Esquer­ra Repu­bli­ca­na de Catalunya (ERC), deren Prä­si­dent Ori­ol Jun­que­ras ist. Die links-alter­na­ti­ve Grup­pie­rung Can­di­da­tu­ra d’U­ni­tat Popu­lar (CUP) gewann zehn Sit­ze. Zusam­men hat­ten sie im letz­ten Par­la­ment mit 72 Sit­zen eine Mehr­heit und tra­ten für die Unab­hän­gig­keit Kata­lo­ni­ens ein. Die Min­der­heit bestand aus der libe­ra­len Mit­te­par­tei Ciu­da­da­nos (C’s), die 25 Sit­ze gewann, dem Par­tit dels Socia­lis­tes de Catalunya (PSC), die auf 16 Sit­ze kamen, dem Wahl­bünd­nis Catalunya sí que es pot (CSP), wel­chem auch Pode­mos ange­hört, das auf elf Sit­ze kam und dem kon­ser­va­ti­ven Par­ti­do Popu­lar (PP), der Par­tei des spa­ni­schen Regie­rungs­prä­si­den­ten Maria­no Rajoy, wel­cher eben­falls elf Sit­ze inne­hat­te.

Ein drit­tes Sze­na­rio besteht aus einem Unent­schie­den zwi­schen den bei­den Blö­cken, bei wel­cher kei­ne auf eine Par­la­ments­mehr­heit kommt. Dies wür­de die noch ein­zi­ge ver­blei­ben­de Kraft dazwi­schen, die klei­ne Par­tei Catalunya en Comú (CeC) in eine wich­ti­ge Posi­ti­on brin­gen. Die­ser regio­na­le Alli­anz­part­ner der lin­ken Pode­mos, der in Bar­ce­lo­na die Stadt­prä­si­den­tin Ada Colau stellt, befin­det sich ange­sichts der star­ken Pola­ri­sie­rung und der inter­nen Frag­men­tie­rung in einer schwie­ri­gen Situa­ti­on. Den­noch könn­te CeC im Fal­le eines Patts nach den Wah­len zur Königs­ma­che­rin auf­stei­gen. Die Fra­ge lau­te­te in einem sol­chen Fall, ob sie eine sepa­ra­tis­ti­sche oder eine unio­nis­ti­sche Regie­rung ins Amt hie­ven wird.

Welches Szenario ist das Wahrscheinlichste?

Wel­ches der oben skiz­zier­ten Sze­na­ri­en am wahr­schein­lichs­ten ist, ver­su­chen wir mit­tels eines Pro­gno­se­mark­tes her­aus­zu­fin­den. Auf dem Pro­gno­se­markt kön­nen die Teil­neh­men­den, wel­che wir für den Pro­gno­se­markt rekru­tiert haben, ent­we­der auf eine sepa­ra­tis­ti­sche oder eine unio­nis­ti­sche Regie­rung tip­pen. Aus­ser­dem haben sie die Mög­lich­keit zwi­schen einer Mehr­heits­re­gie­rung und einer Min­der­heits­re­gie­rung, die mit­tels Stim­men von CeC ins Amt gebracht wur­de, zu unter­schei­den. Die Vor­her­sa­gen des Pro­gno­se­mark­tes, kön­nen in der Abbil­dung unten live kon­sul­tiert wer­den können.

Bis anhin gehen die Pro­gno­se­markt­teil­neh­mer von einer erneu­ten Regie­rung der sepa­ra­tis­ti­schen Par­tei­en aus. Dabei wird die Wahr­schein­lich­keit für eine Regie­rung der Sepa­ra­tis­ten ohne Unter­stüt­zung von CeC als die wahr­schein­lichs­te Vari­an­te gehan­delt. Aller­dings hat der Han­del auf dem Pro­gno­se­markt erst am Mitt­woch, dem 1. Novem­ber begon­nen. Neue Ereig­nis­se kön­nen die Vor­her­sa­gen noch stark beein­flus­sen. Es wird daher inter­es­sant sein, die Ver­än­de­run­gen der Pro­gno­sen bis am 21. Dezem­ber zu ver­fol­gen. Denn es gibt kei­nen Zwei­fel: Das Wahl­re­sul­tat und die damit ver­bun­de­ne Regie­rungs­bil­dung ist für die Zukunft nicht nur Kata­lo­ni­ens, son­dern ganz Spa­ni­ens von gröss­ter Bedeutung. 

Abbildung 1: Wahrscheinlichkeiten für Regierungskoalitionen nach den katalanischen Regionalwahlen

Der Pro­gno­se­markt
Der von uns durch­ge­führ­te Pro­gno­se­markt funk­tio­niert wie ein tra­di­tio­nel­ler Akti­en­markt. Anstel­le von Unter­neh­mens­ak­ti­en hält man jedoch «Akti­en» von Regie­rungs­ko­ali­tio­nen. Der Schluss­preis einer Aktie wird durch das tat­säch­li­che Ergeb­nis der Regie­rungs­bil­dung bestimmt. Nach­dem eine Regie­rung ver­ei­digt wur­de, erhält jede Aktie den Wert von 100 Punk­ten, wenn das Ereig­nis ein­ge­trof­fen ist, d.h., eine ent­spre­chen­de Regie­rung gebil­det wur­de, und 0 Punk­ten, wenn dies nicht ein­ge­trof­fen ist. Dies führt dazu, dass der Wert der Aktie die erwar­te­te Wahr­schein­lich­keit, dass eine Regie­rungs­ko­ali­ti­on zustan­de kommt, wider­spie­gelt. Der Pro­gno­se­markt funk­tio­niert damit ana­log zu den Wahl­bör­sen, wie sie auch in der Schweiz jeweils vor Wah­len durch­ge­führt wer­den. Die Teil­neh­mer sind mehr­heit­lich Stu­die­ren­de ver­schie­de­ner Uni­ver­si­tä­ten in Kata­lo­ni­en und dem übri­gen Spa­ni­en. Alle Teil­neh­mer erhal­ten dabei 10 Euro, wel­che sie mit einer genau­en Vor­her­sa­ge und etwas Spiel­ge­schick bis auf etwa 30 Euro stei­gern kön­nen. Im Moment neh­men gut 70 Per­so­nen dar­an teil. In den nächs­ten Tagen soll die Teil­neh­mer­zahl auf über 200 gestei­gert wer­den. Ziel des Pro­jek­tes ist es nicht eine Wahl­vor­her­sa­ge zu machen, son­dern die Erwar­tun­gen über den Aus­gang der Wah­len und der dar­auf­fol­gen­den Regie­rungs­bil­dung zu mes­sen. Mit einem ana­lo­gen Pro­gno­se­markt haben wir bereits erfolg­reich die Erwar­tun­gen für die Regie­rungs­bil­dung bei natio­na­len spa­ni­schen Par­la­ments­wah­len gemes­sen (Stri­j­bis, Arne­sen und Leo­ni­sio, im Erschei­nen; sie­he auch Stri­j­bis, Arne­sen und Bern­hard, 2016).

Refe­ren­zen

  • Oli­ver Stri­j­bis, Svei­nung Arne­sen und Lau­rent Bern­hard (2016). “Using pre­dic­tion mar­ket data for mea­su­ring the expec­ted clo­seness in elec­to­ral rese­arch”, Elec­to­ral Stu­dies 44, 144–150.
  • Oli­ver Stri­j­bis, Rafa­el Leo­ni­sio und Svei­nung Arne­sen (im Erschei­nen). “Es est­ra­té­gico el vootan­te espa­ñol? Aná­li­sis del voto de coali­cio­nes con un mer­ca­do de pre­dic­ción.”, in Las eleccio­nes gene­ra­les 2015–2016, Hrsg. Fran­cis­co José Lle­ra, Mont­se Baras, und Juan Mon­ta­bes, Madrid: CIS.

Foto: Wiki­me­dia Com­mons.

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