Teilzeit oder Vollzeit, was macht zufriedener? Die Antwort ist nicht dieselbe für Väter und Mütter

In einer Unter­su­chung mit den Daten der Stu­die “Leben in der Schweiz“ zei­gen Caro­li­ne Hen­choz und Boris Wern­li, dass Müt­ter in Teil­zeit gegen­über Müt­tern in Voll­zeit zufrie­de­ner sind mit ihrem Leben und ihren per­sön­li­chen Bezie­hun­gen. Für die Väter ver­hält es sich genau umge­kehrt. Wie sieht es in ande­ren Lebens­be­rei­chen aus und wie kann man die­se Unter­schie­de erklären?

Ver­si­on française

Tra­di­tio­nel­ler­wei­se arbei­ten Väter in der Schweiz Voll­zeit und sind damit häu­fig Haupter­näh­rer der Fami­lie. Müt­ter zie­hen sich hin­ge­gen oft­mals aus dem Arbeits­markt zurück, um sich voll und ganz der Haus- und Fami­li­en­ar­beit zu wid­men oder sie sind in Teil­zeit­ar­beit beschäftigt.

Wie­der­spie­geln sich die­se tra­di­tio­nel­len Rol­len­mus­ter auch in der Zufrie­den­heit der Väter und Müt­ter? Ja sagen die Autoren: Wer sich ent­spre­chend der vor­herr­schen­den Geschlech­ter­rol­len ver­hält, ist am zufrie­dens­ten. Dem­nach wei­sen Voll­zeit erwerbs­tä­ti­ge Väter und Teil­zeit erwerbs­tä­ti­ge Müt­ter zwi­schen 25 und 50 Jah­ren die höchs­te Zufrie­den­heit mit dem Leben ins­ge­samt sowie mit den per­sön­li­chen Bezie­hun­gen auf.

Abbildung 1: Zufriedenheit mit dem Leben im Allgemeinen und den persönlichen Beziehungen (getrennt nach Geschlecht und Stellenprozenten)

Quel­le: Stu­die “Leben in der Schweiz”, 2014

Die­ses Resul­tat erstaunt, wenn man bedenkt, dass Väter auf­grund Ihrer Voll­zeit­er­werbs­tä­tig­keit zeit­lich stark ein­ge­bun­den sind und Teil­zeit erwerbs­tä­ti­ge Müt­ter beson­ders von der Dop­pel­be­las­tung durch Erwerbs- und Fami­li­en­ar­beit betrof­fen sind. Zudem haben letz­te­re oft­mals schlech­te­re Arbeits­be­din­gun­gen als die Väter: Sie sind für ihre Tätig­kei­ten häu­fi­ger über­qua­li­fi­ziert, wer­den schlech­ter bezahlt und erfah­ren weni­ger sozia­le Wertschätzung. 

Die Autoren erklä­ren die Resul­ta­te einer­seits damit, dass sich Abwei­chun­gen von der gesell­schaft­li­chen Norm in einer gerin­ge­ren Lebens­zu­frie­den­heit wider­spie­geln. Ande­rer­seits haben Müt­ter in Teil­zeit und Väter in Voll­zeit die höchs­te Zufrie­den­heit mit den per­sön­li­chen Bezie­hun­gen, weil Män­ner auf­grund ihrer höhe­ren Erwerbs­be­tei­li­gung vor allem Bezie­hun­gen im beruf­li­chen Leben pfle­gen, wäh­rend Frau­en wegen ihrer stär­ke­ren Betei­li­gung an der Fami­li­en­ar­beit mehr Kon­tak­te im pri­va­ten Bereich und der Fami­lie haben. Die hohe Zufrie­den­heit mit den per­sön­li­chen Bezie­hun­gen der Voll­zeit erwerbs­tä­ti­gen Väter und Teil­zeit erwerbs­tä­ti­gen Müt­ter hat ihren Ursprung folg­lich in unter­schied­li­chen Lebensbereichen.

Trotz zum Teil nega­ti­ver Aus­wir­kun­gen der Teil­zeit­ar­beit weist sie sowohl für die Müt­ter als auch für die Väter eine Rei­he von Vor­tei­len auf. Im Ver­gleich mit Voll­zeit erwerbs­tä­ti­gen Eltern haben sie weni­ger Kon­flik­te, um Erwerbs- und Fami­li­en­le­ben zu ver­ein­ba­ren, füh­len sich weni­ger erschöpft nach der Arbeit und kön­nen bes­ser abschal­ten. Zudem sind sie zufrie­de­ner mit dem Umfang der Frei­zeit, sind häu­fi­ger in Ver­ei­nen aktiv und leis­ten mehr Freiwilligenarbeit.

Ein Leben in tra­di­tio­nel­len Rol­len­mus­tern lohnt sich daher nur bedingt. Wür­den über alle Berufs­grup­pen hin­weg Män­ner häu­fi­ger Teil­zeit arbei­ten und Frau­en ver­mehrt Voll­zeit, wür­de das dazu füh­ren, dass sich auch die gesell­schaft­li­chen Rol­len­mus­ter mit der Zeit ver­än­dern. Damit wür­de auch der Ein­fluss die­ser Rol­len­mus­ter auf die Zufrie­den­heit und die Lebens­qua­li­tät zurückgehen.

Abbildung 2: Vorteile der Teilzeiterwerbstätigkeit (getrennt nach Geschlecht und Stellenprozenten)

Quel­le: Stu­die “Leben in der Schweiz”, 2014

Die Stu­die „Leben in der Schweiz“
logo_leben-in-der-schweizDie Stu­die Leben in der Schweiz ist eine Längs­schnitt­stu­die, die zum Ziel hat, den sozia­len Wan­del und Ver­än­de­run­gen der Lebens­be­din­gun­gen in der Schweiz zu beob­ach­ten. Rund 12‘000 Per­so­nen wer­den seit 1999 jähr­lich zu einer Viel­zahl an The­men befragt: Fami­li­en- und Erwerbs­ar­beit, Ein­kom­men und Lebens­be­din­gun­gen, Frei­zeit, Gesund­heit, per­sön­li­che Bezie­hun­gen, Ein­stel­lun­gen, Poli­tik, etc.

Leben in der Schweiz wird vom Schwei­ze­ri­schen Natio­nal­fonds zur För­de­rung der wis­sen­schaft­li­chen For­schung finan­ziert und von FORS, dem Schwei­zer Kom­pe­tenz­zen­trum Sozi­al­wis­sen­schaf­ten, an der Uni­ver­si­tät Lau­sanne durchgeführt.


Quel­le: Caro­li­ne Hen­choz und Boris Wern­li (2016). Le temps par­ti­el, un “ami” qui vous veut du bien? Les effets du temps par­ti­el sur dif­fé­ren­tes dimen­si­ons de la vie quo­ti­di­en­ne. In: Le par­ta­ge d’emploi — Job sharing. Hrsg. Ire­n­ka Kro­ne-Ger­mann und Alain Max Gué­net­te. L’Harmattan.

Foto: rawpixel.com

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