Ist die digitale Medienkompetenz eine Politikkompetenz?

Der­zeit wird viel über die För­de­rung der digi­ta­len Medi­en­kom­pe­tenz in der poli­ti­schen Bil­dung dis­ku­tiert. Nicht alle medi­en­päd­ago­gi­schen Inhal­te besit­zen jedoch einen ori­gi­nä­ren poli­ti­schen Bil­dungs­wert. Dies gibt Anlass, sich inten­siv über die Gren­zen der Medi­en­päd­ago­gik und der Poli­tik­di­dak­tik auszutauschen.

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Die Poli­tik ist der „Kern poli­ti­scher Bil­dung“ (Mas­sing 2007). So ein­deu­tig Mas­sing die­se Defi­ni­ti­on im Jahr 2007 noch setz­te, so umstrit­ten ist sie 10 Jah­re spä­ter in einer Zeit, in der die digi­ta­le Medi­en­kom­pe­tenz als Lern­ziel­be­reich zuneh­mend in den Fokus der poli­ti­schen Bil­dung gerückt ist, denn:

«[w]enn es Über­ein­stim­mung aller Betei­lig­ten und Betrof­fe­nen in Wis­sen­schaft, Poli­tik und Pra­xis gibt, dann bezieht sich die­se auf die Not­wen­dig­keit einer den tech­no­lo­gi­schen Rea­li­tä­ten ange­pass­ten Medi­en­kom­pe­tenz, wor­aus sich Auf­ga­ben [der poli­ti­schen Bil­dung, D.H.] für die Medi­en­bil­dung ablei­ten. Es ist brei­ter Kon­sens, dass Chan­cen der IKT nur dann als sol­che bewer­tet wer­den kön­nen, wenn mög­lichst vie­le Bür­ger die Fähig­keit haben, mit die­sen Medi­en umzugehen (…).»

Kneu­er 2013, S. 22

Von einer voll­kom­me­nen Deckungs­gleich­heit poli­tisch-bil­den­der und medi­en­päd­ago­gi­scher Kom­pe­ten­zen ist jedoch nicht aus­zu­ge­hen (Hauk 2016, S. 6–8). Inso­fern soll­te der digi­ta­le Medi­en­ein­satz auf die Aus­bil­dung der poli­ti­schen Handlungs‑, Urteils- und Metho­den­fä­hig­keit (GPJE 2014) beschränkt wer­den, um die Domä­nen­spe­zi­fik der „Poli­ti­schen Bil­dung“ als Unter­richts­fach zu bewah­ren. Andern­falls besteht die Gefahr eines ver­kürz­ten bzw. ein­sei­tig auf die Schu­lung der digi­ta­len Medi­en­tech­nik redu­zier­ten Politikunterrichts.

Rosa (2014) spricht an die­ser Stel­le von einer „Too­li­fi­zie­rung“ bzw. „Devicei­fi­zie­rung“, das heißt einer rein mate­rial­ori­en­tier­ten, (arbeits-)technischen und for­ma­lis­ti­schen Inte­gra­ti­on des digi­ta­len Medi­en­an­ge­bots ohne einen ori­gi­när poli­tisch-bil­den­den Bezug. Auch Sar­ci­nel­li (2011) argu­men­tiert des­halb, dass die poli­ti­sche Bil­dung gut bera­ten wäre, „nicht in den Feh­ler (zu) ver­fal­len, alles, was irgend­wie mit Medi­en zu tun hat, zu ihrem Auf­ga­ben­be­reich zu erklä­ren. Poli­ti­sche Bil­dung ist kei­ne Medi­en­päd­ago­gik, so wich­tig medi­en­päd­ago­gi­sche Ele­men­te für die poli­ti­sche Bil­dungs­ar­beit sein kön­nen. Gegen­stand der poli­ti­schen Bil­dung ist Politik.“

Vor dem Hin­ter­grund die­ser Über­le­gun­gen ist auch der aktu­ell statt­fin­den­de Dis­kurs über die Ver­knüp­fung medi­en­päd­ago­gi­scher und poli­tisch-bil­den­der Kom­pe­ten­zen als aus­ge­spro­chen kri­tisch zu betrach­ten. Es geht schließ­lich nicht pri­mär um die Inte­gra­ti­on medi­en­päd­ago­gi­schen Wis­sens und Kön­nens in die poli­ti­sche Bil­dung, son­dern um die kom­pe­tenz­ori­en­tier­te Aktua­li­sie­rung des Leit­mo­tivs einer poli­ti­schen Aktiv­bür­ger­schaft im Zeit­al­ter der Digitalisierung.

Was bedeu­tet es in die­ser Hin­sicht, in einer digi­ta­li­sier­ten Demo­kra­tie poli­tisch aktiv zu sein? Wel­chen Ein­fluss üben neue elek­tro­ni­sche Par­ti­zi­pa­ti­ons- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mög­lich­kei­ten auf die Aus­ge­stal­tung der poli­ti­schen Hand­lungs­fä­hig­keit aus und wie ist die­se im Span­nungs­feld kon­ven­tio­nel­ler und deli­be­ra­ti­ver Betei­li­gungs­for­men zu ver­or­ten? Und dar­über hin­aus: Wel­chen Bei­trag leis­ten die spe­zi­fi­schen digi­ta­len Medi­en­for­ma­te, um eben jene dis­ku­tier­ten Fähig­keits­be­rei­che bei Ler­nen­den zu beför­dern und wie hat der kom­pe­tenz­ori­en­tier­te Medi­en­ein­satz unter kon­zep­tio­nel­len und prak­ti­schen Gesichts­punk­ten genau­er zu erfolgen?

Vor allem auf die zuletzt genann­ten Fra­gen ist die empi­risch-for­schen­de Poli­tik­di­dak­tik bis­lang eine Ant­wort schul­dig geblie­ben (Hauk i.E.). Hier­an gilt es wei­ter zu for­schen, um Leh­ren­de und Ler­nen­de zugleich auf die Her­aus­for­de­run­gen einer poli­ti­schen Bil­dung in einer digi­ta­len Gesell­schaft vorzubereiten.


Refe­ren­zen

  • Gesell­schaft für Poli­tik­di­dak­tik und poli­ti­sche Jugend und Erwach­se­nen­bil­dung (GPJE) (2014): Anfor­de­run­gen an Natio­na­le Bil­dungs­stan­dards für den Fach­un­ter­richt in der Poli­ti­schen Bil­dung an Schu­len, Schwalbach.
  • Hauk, Den­nis (i.E.), Der empi­ri­sche For­schungs­stand zum Ein­satz digi­ta­ler Medi­en im Poli­tik­un­ter­richt: Grund­le­gen­de Erkennt­nis­se und poli­tik­di­dak­ti­sche Hand­lungs­fel­der. In: Ober­le, Monika/ Gap­ski, Harald/ Stau­fer, Wal­ter (Hrsg.): Medi­en­kom­pe­tenz – Her­aus­for­de­run­gen für Poli­tik, poli­ti­sche Bil­dung und Medi­en­bil­dung (Schrif­ten­rei­he der Bun­des­zen­tra­le für poli­ti­sche Bil­dung), Bonn.
  • Hauk, Den­nis (2016): Digi­ta­le Medi­en in der poli­ti­schen Bil­dung Anfor­de­run­gen und Zugän­ge an das Poli­tik-Ver­ste­hen im 21. Jahr­hun­dert. Wiesbaden.
  • Kneu­er, Mari­an­ne (2013): Berei­che­rung oder Stress­fak­tor? Über­le­gun­gen zur Wir­kung des Inter­nets auf die Demo­kra­tie. In: Kneu­er, Mari­an­ne (Hrsg.): Das Inter­net: Berei­che­rung oder Stress­fak­tor für die Demo­kra­tie? (Ver­öf­fent­li­chun­gen der Deut­schen Gesell­schaft für Poli­tik­wis­sen­schaft, Bd. 31), Baden-Baden, S. 7–31.
  • Mas­sing, Peter (2007): Poli­tik. In: Wei­ße­no, Georg/ Hufer, Klaus-Peter/ Kuhn, Hans-Wer­ner/ Mas­sing, Peter/ Rich­ter, Dag­mar (Hrsg.) Wör­ter­buch poli­ti­sche Bil­dung (Bd.), Schwalbach/Ts., S. 281–290.
  • Rosa, Lisa (2014): Kul­tur­zu­gangs­ge­rät, klei­ne Abhand­lung. Ver­füg­bar unter: https://shiftingschool.wordpress.com/2014/10/21/kulturzugangsgerat-kleine-abhandlung [Zugriff: 10.03.2017 ]
  • Sar­ci­nel­li, Ulrich (2011): Poli­ti­sche Kom­mu­ni­ka­ti­on in Deutsch­land: Medi­en und Poli­tik­ver­mitt­lung im demo­kra­ti­schen Sys­tem. Wiesbaden.

Titel­bild: „Die Mischung macht’s?“, Den­nis Hauk

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