Wieso Asylsuchende nicht überall gleichermassen in den Arbeitsmarkt integriert werden

Die Zeit, wäh­rend der Asyl­su­chen­de auf ihren Asyl­be­scheid war­ten, ver­ur­sacht hohe Kos­ten für die Sozi­al­wer­ke. Die­se Kos­ten könn­ten mit einer schnel­len Inte­gra­ti­on der Asyl­su­chen­den in den Arbeits­markt gesenkt wer­den. Aller­dings steht die nega­ti­ve Wahr­neh­mung von Asyl­su­chen­den dem im Weg, vor allem in den Kan­to­nen, in denen eine star­ke Lin­ke fehlt.  

In der Schweiz sind die Kan­to­ne für die Umset­zung von Geset­zen, die vom Bund kom­men, ver­ant­wort­lich. Dass es dabei zu gros­sen kan­to­na­len Unter­schie­den kom­men kann, zeigt sich im Bereich der Arbeits­markt­in­te­gra­ti­on von Asyl­su­chen­den beson­ders deutlich.

Die Asyl­de­bat­te ver­nach­läs­sigt die Fra­ge nach der Inte­gra­ti­on der Asyl­su­chen­den, die auf einen Asyl­be­scheid war­ten. Die­se War­te­zeit ver­ur­sacht Kos­ten und eine star­ke Bean­spru­chung der Sozi­al­wer­ke, was immer wie­der im Zen­trum der poli­ti­schen Dis­kus­si­on steht. Die nahe­lie­gen­de Mass­nah­me zur Sen­kung die­ser Kos­ten wäre die Inte­gra­ti­on der Asyl­su­chen­den in den Arbeitsmarkt.

Eine neue Unter­su­chung des Kom­pe­tenz­zen­trums für Public Manage­ment der Uni­ver­si­tät Bern und des Insti­tuts für Poli­tik­wis­sen­schaft der Uni­ver­si­tät Hei­del­berg ging des­halb der Fra­ge nach, war­um arbeits­fä­hi­ge Asyl­su­chen­de nicht in allen Kan­to­nen glei­cher­mas­sen in den Arbeits­markt inte­griert werden.

Die Arbeitsmarktintegration von Asylsuchenden in der Schweiz zwischen 2000 und 2003

Als Fall­stu­die dient uns die Umset­zung der Asyl­ver­ord­nung 2 über Finan­zie­rungs­fra­gen im Asyl­we­sen (AsylV 2) von 1999 (sie­he Info­box). Damals führ­ten mas­si­ve kan­to­na­le Unter­schie­de bei der Zulas­sung von Asyl­su­chen­den zum Arbeits­markt zu einer star­ken Ungleich­be­hand­lung von Asylsuchenden.

Der Fall: Die Asyl­ver­ord­nung 2 über Finan­zie­rungs­fra­gen (AsylV 2) von 1999
Die Aus­ga­ben im Asyl­be­reich stie­gen seit 1981 kon­ti­nu­ier­lich an. Das 1998 ver­ab­schie­de­te Sta­bi­li­sie­rungs­pro­gramms fand sei­nen Nie­der­schlag in der Asyl­ver­ord­nung 2. Die eid­ge­nös­si­schen Räte kürz­ten die Unter­stüt­zungs­pau­scha­len mas­siv, wel­che der Bund den Kan­to­nen für sozi­al­hil­fe­ab­hän­gi­ge Asyl­be­wer­ben­de aus­zahl­te. Zur Kos­ten­re­duk­ti­on des Bun­des soll­ten die Kan­to­ne durch die Kür­zung der Pro-Kopf-Pau­scha­le dazu bewegt wer­den, dafür zu sor­gen, dass mög­lichst weni­ge Per­so­nen aus dem Asyl- und Flücht­lings­be­reich sozi­al­hil­fe­ab­hän­gig werden.

Dafür stan­den den Kan­to­nen zwei unter­schied­li­che Stra­te­gien zur Ver­fü­gung. Sie konn­ten zum einen die Anwe­sen­heits­dau­er sozi­al­hil­fe­ab­hän­gi­ger Asyl­be­wer­ben­der ver­rin­gern, indem sie abge­wie­se­ne Asyl­su­chen­de ver­mehrt aus­schaff­ten und die frei­wil­li­ge Rück­kehr von Asyl­su­chen­den för­der­ten. Unab­hän­gig davon konn­ten die Kan­to­ne die Zahl für­sor­ge­ab­hän­gi­ger Asyl­su­chen­der aber auch durch deren Inte­gra­ti­on in den Arbeits­markt nach einer Karenz­frist von drei Mona­ten reduzieren. 

Entscheid bei den Kantonen

Im schwei­ze­ri­schen Voll­zugs­fö­de­ra­lis­mus genies­sen die Kan­to­ne sowohl Orga­ni­sa­ti­ons- als auch Pro­gramm­kom­pe­tenz über die Aus­ge­stal­tung der Umset­zung von Asyl­recht. Der in der Info­box erwähn­te Ent­scheid auf Bun­des­ebe­ne im Jahr 1999, die Pro-Kopf-Pau­scha­le für Asyl­su­chen­de zu kür­zen, lös­te einen poli­ti­schen Ent­schei­dungs­pro­zess für oder gegen die Erleich­te­rung der Arbeits­markt­in­te­gra­ti­on von Asyl­su­chen­den in den Kan­to­nen aus.

Drei Erklärungsansätze für die Strategie der Kantone zur Umsetzung

Wir unter­such­ten anhand drei­er Grup­pen von Fak­to­ren, ob Kan­to­ne Asyl­su­chen­de in den Arbeits­markt inte­grie­ren oder nicht.

1: Wie stark sind poli­ti­sche Akteu­re und die Ver­wal­tung ver­tre­ten – mit jeweils unter­schied­li­chen Positionen?

Einer­seits kann die Zusam­men­set­zung des Regie­rungs­rats eine gewich­ti­ge Rol­le spie­len. In der Regel ver­fol­gen Regie­run­gen, die von rech­ten Par­tei­en des poli­ti­schen Spek­trums domi­niert wer­den, kei­ne Arbeits­markt­in­te­gra­ti­on von Asyl­su­chen­den. Das Gegen­teil gilt für links domi­nier­te Kan­tons­re­gie­run­gen. Von einer star­ken öffent­li­chen Ver­wal­tung dage­gen wird eine stär­ker sach­be­zo­ge­ne Lösungs­su­che erwartet.

2: Wie stark wird die Arbeits­markt­in­te­gra­ti­on von Asyl­su­chen­den als Pro­blem wahrgenommen?

Asyl­su­chen­de kön­nen einer­seits als Grup­pe posi­tiv oder nega­tiv wahr­ge­nom­men wer­den. Letz­te­res ist oft in rura­len Deutsch­schwei­zer Kan­to­nen der Fall. Zudem gibt das kan­to­na­le Abstim­mungs­er­geb­nis über die SVP-Initia­ti­ve „gegen Asyl­miss­brauch“ vom 24.11.2002 Auf­schluss über die Hal­tung der Bevöl­ke­rung. Die­se Initia­ti­ve sah ver­schie­de­ne Ver­schär­fun­gen des Asyl­rechts vor und wur­de von der Bevöl­ke­rung mit 50.1 Pro­zent sehr knapp abgelehnt.

Ande­rer­seits stellt sich die sach­be­zo­ge­ne Fra­ge, wie gesät­tigt der kan­to­na­le Arbeits­markt ist. Die Arbeits­markt­in­te­gra­ti­on von Asyl­su­chen­den macht dann Sinn, wenn im jewei­li­gen Kan­ton eine gerin­ge Arbeits­lo­sig­keit herrscht und die Gast­ar­bei­ter­kon­tin­gen­te nicht aus­ge­schöpft sind.

3: Wel­che Poli­tik haben die Kan­to­ne bis­her verfolgt?

Man­che Kan­to­ne ver­folg­ten bereits frü­her eine Stra­te­gie der Reinte­gra­ti­on von Arbeits­lo­sen in den Arbeits­markt mit ent­spre­chen­den Ange­bo­ten. Sol­che „Poli­tik­pfa­de“ kön­nen die Arbeits­markt­in­te­gra­ti­on Asyl­su­chen­der begüns­ti­gen. Sie beein­flus­sen die Pro­blem­wahr­neh­mung der Akteu­re, und die öffent­li­che Ver­wal­tung führt bereits ein­ge­üb­te Ver­hal­tens­wei­sen oft weiter.

Eingespielte Erfahrung führt zu Integration, ablehnende politische Verhältnisse zu Restriktion

Unse­re Resul­ta­te zei­gen, dass Kan­to­ne, in wel­chen bereits ein inte­gra­ti­ver Arbeits­markt­po­li­tik­pfad bei der Umset­zung der Arbeits­lo­sen­ver­si­che­rung bestand, die Arbeits­markt­in­te­gra­ti­on von Asyl­su­chen­den erleich­ter­ten. Empi­risch tritt dies oft in Kom­bi­na­ti­on mit einer schwa­chen Regie­rungs­prä­senz der Rechts­par­tei­en, einer star­ken Ver­wal­tung und einer posi­ti­ven Hal­tung der Kan­tons­be­völ­ke­rung gegen­über Asyl­su­chen­den auf.

Anders ver­hält es sich bei einer restrik­ti­ven Zulas­sung zum Arbeits­markt. Sie fin­det sich in Kan­to­nen mit einer nega­ti­ven Wahr­neh­mung Asyl­su­chen­der, die jeweils in unter­schied­li­chen, nicht klar domi­nier­ten Akteurs­kon­stel­la­tio­nen auf­tritt. In all die­sen Kan­to­nen fehlt eine star­ke Linke.

Sachpolitik versus Vorurteile

Die Ana­ly­se bestä­tigt, dass der schwei­ze­ri­sche Voll­zugs­fö­de­ra­lis­mus zu unglei­chen Poli­tik­re­sul­ta­ten führt. Kan­to­ne, die gene­rell eine Stra­te­gie der Reinte­gra­ti­on von Arbeits­lo­sen in den Arbeits­markt ver­fol­gen, erleich­tern in der Regel auch Asyl­su­chen­den den Ein­stieg in den Arbeits­markt. Dies ist beson­ders dann der Fall, wenn im Kan­ton die Ver­wal­tung stark ist und eine all­ge­mein posi­ti­ve­re Hal­tung gegen­über Asyl­su­chen­den vorherrscht.

Ande­rer­seits kann die nega­ti­ve sozia­le Kon­struk­ti­on von Asyl­su­chen­den ohne eine hand­lungs­fä­hi­ge Lin­ke eine kos­ten­sen­ken­de Arbeits­markt­in­te­gra­ti­on ver­hin­dern. Im Lich­te der gegen­wär­ti­gen Asyl­dis­kus­si­on stellt sich also die über den Schwei­zer Kon­text hin­aus zu beant­wor­ten­de Fra­ge: Soll sich der Ent­scheid über die Arbeits­markt­in­te­gra­ti­on von Asyl­su­chen­den pri­mär nach poli­tisch moti­vier­ten Vor­ur­tei­len rich­ten oder sol­len die eigent­lich ange­streb­te Kos­ten­sen­kung und ‑ver­tei­lung im Zen­trum ste­hen? Die Unter­schie­de in den Kon­se­quen­zen sowohl für die betrof­fe­nen Asyl­su­chen­den als auch für die öffent­li­chen Kas­sen sind erheblich.


Hin­weis: Die­ser Bei­trag ist die Kurz­fas­sung von Sager, Fritz und Eva Thomann(2016). “A Mul­ti­ple Streams Approach to Mem­ber Sta­te Imple­men­ta­ti­on: Poli­tics, Pro­blem Con­struc­tion and Poli­cy Paths in Swiss Asyl­um Poli­cy.” Jour­nal of Public Poli­cy: ear­ly online view.

Titel­bild: Demons­tra­ti­on für die Rech­te von Flücht­lin­gen, 11. Juni 2014, Lau­sanne, auf­ge­nom­men von Gust­ave Deghilage (CC-BY-NC-ND)

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