Totale Politikblockade in Spanien

In Spa­ni­en wur­de bereits zwei Mal gewählt, eine Regie­rung gibt es aber noch nicht. Nicht zuletzt des­we­gen, weil sich die sozia­lis­ti­sche Par­tei PSOE auf kei­ne Stra­te­gie eini­gen konn­te. Der Par­tei droht nach dem Rück­tritt ihres Vor­sit­zen­den eine Spal­tung. Und dem Land allen­falls sogar ein drit­ter Wahlgang. 

Die spa­ni­sche Bevöl­ke­rung hat in den letz­ten neun Mona­ten zwei Mal gewählt, aber über eine neue Regie­rung ver­fügt das Land immer noch nicht. Denn es gelingt den spa­ni­schen Par­tei­en weder eine trag­fä­hi­ge Regie­rungs­ko­ali­ti­on zu for­men noch eine mehr oder weni­ger sta­bi­le Min­der­heits­re­gie­rung ins Amt zu hie­ven. Dies alles in einem Moment, in wel­cher die spa­ni­sche Wirt­schaft die Kri­se noch nicht über­wun­den hat und die erstark­te Unab­hän­gig­keits­be­we­gung in Kata­lo­ni­en den Zusam­men­halt des Lan­des belas­tet. Die Bür­ge­rin­nen und Bür­ger Spa­ni­ens haben das Ver­trau­en in die Poli­tik längst verloren.

Wer trägt Schuld an der Blockade?

Die spa­ni­schen Sozia­lis­ten wer­den zuneh­mend als Ver­ant­wort­li­che für die poli­ti­sche Blo­cka­de betrach­tet (Abbil­dung 1). Dies nicht ganz zu unrecht. Denn die Par­tei hät­te eigent­lich die Regie­rungs­bil­dung vor­an­trei­ben kön­nen, zog es aber vor, sich bis zur Beschluss­un­fä­hig­keit zu zer­strei­ten. Ob der Rück­tritt des bis­he­ri­gen Prä­si­den­ten San­chez am Wochen­en­de die Lösung ist, wird sich zeigen.

Abbildung 1:

Das griechische Szenario

Es hät­te für die Sozia­lis­ten aller­dings noch eine eine ande­re Mög­lich­keit gege­ben als sel­ber eine Regie­rung zu bil­den: Sie hät­ten sich im Par­la­ment der Stim­me ent­hal­ten und somit dem Par­ti­do Popu­lar, der kon­ser­va­ti­ven Volks­par­tei von Minis­ter­prä­si­dent Maria­no Rajoy, den Weg zu einer Min­der­heits­re­gie­rung ebnen kön­nen. Die­se Stra­te­gie wur­de von Par­tei­grös­sen wie dem ers­ten sozia­lis­ti­schen Minis­ter­prä­si­den­ten Feli­pe Gon­za­lez oder der amtie­ren­den Regio­nal­prä­si­den­tin Anda­lu­si­ens, Susan­na Díaz, und der Mehr­heit der Spa­nie­rin­nen und Spa­ni­er befür­wor­tet. (Abbil­dung 2)

Abbildung 2:

Der Nach­teil die­ser Stra­te­gie ist frei­lich, dass sie von einem gros­sem Teil der Mit­glie­der der Par­tei wie auch von den lin­ken Wäh­le­rin­nen und Wäh­lern als Betrug emp­fun­den wur­de. Denn die Dul­dung einer kon­ser­va­ti­ven Min­der­heits­re­gie­rung unter dem bis­he­ri­gen Minis­ter­prä­si­den­ten Rajoy wür­de von vie­len als ein wei­te­rer Schritt des PSOE nach rechts ausgelegt. 

Den Sozia­lis­ten droht damit, ihr Pro­fil als lin­ke Par­tei zu ver­lie­ren und in der Mit­te zer­rie­ben zu wer­den. Es wäre ein ähn­li­ches Schick­sal wie jenes des PASOK in Grie­chen­land. Denn auch in Spa­ni­en hat die links ste­hen­de Wäh­ler­schaft dem PSOE weit­ge­hend den Rücken gekehrt, nach­dem die Par­tei wäh­rend der Wirt­schafts­kri­se die unpo­pu­lä­ren Auf­la­gen der Troi­ka erfüll­te, was die Pro­test­par­tei Pode­mos aus­zu­nüt­zen wusste.

Sanchez will mit Podemos regieren

Aus die­sem Grund woll­te der am Wochen­en­de zurück­ge­tre­ten­de bis­he­ri­ge Par­tei­prä­si­dent der Sozia­lis­ten, Pedro San­chez, die links­al­ter­na­ti­ve Pode­mos in die Ver­ant­wor­tung zie­hen. Die­se legt aber einer Eini­gung mit den Sozia­lis­ten so gros­se Hür­den in den Weg, dass man sich fra­gen muss, ob sie über­haupt ernst­haft eine Regie­rungs­be­tei­li­gung anstrebt. San­chez war gewillt, Pode­mos der­art unter Druck zu set­zen, dass die­se in eine Eini­gung ein­lenkt. Bei­spiels­wei­se droh­te er mehr oder weni­ger direkt mit dem Aus­ru­fen von Neu­wah­len, wobei er Pode­mos für das Schei­tern einer lin­ken Regie­rungs­bil­dung ver­ant­wort­lich machen will. Wie es nun wei­ter­geht, ist unklar.

Es droht ein dritter Wahlgang 

Wenn es bis Ende Okto­ber 2016 zu kei­ner Eini­gung kommt, droh­ten die drit­ten natio­na­len Wah­len inner­halb eines Jah­res. San­chez war über­zeugt, im Fal­le eines wei­te­res Wahl­gangs Stim­men von Pode­mos zurück­zu­er­obern, steiss dabei aber nicht über­all in der Par­tei auf Gehör.

Aller­dings ist auch Pode­mos mit inter­nen Gra­ben­kämp­fen beschäf­tig. Die Pro­test­par­tei ist in einen ‘Rea­lo’– und einen ‘Fundi’–Flügel gespal­ten und droht in Kata­lo­ni­en eine Kon­kur­renz­par­tei zu erhal­ten. Vie­le Beob­ach­ter schät­zen daher den Höhe­flug von Pode­mos als bereits vor­über ein.

Vorbild Portugal? 

Die Stra­te­gie die Sozia­lis­ten, sich wie­der wei­ter links zu posi­tio­nie­ren und damit die Stel­lung als domi­nan­te Kraft im lin­ken Spek­trum zurück­er­obern, kann auch als por­tu­gie­si­sches Sze­na­rio bezeich­net wer­den. In Por­tu­gal haben sich die Sozia­lis­ten 2015 in einer ähn­li­chen Situa­ti­on wie die spa­ni­schen Genos­sen wie­der­ge­fun­den: Sie hat­ten die Wahl, eine kon­ser­va­ti­ve Regie­rung zu dul­den oder ein hete­ro­ge­nes Bünd­nis mit links­al­ter­na­ti­ven Grup­pie­run­gen zu bil­den. Der Par­ti­do Socia­lis­ta hat sich für letz­te­res ent­schie­den und es damit geschafft, der Kon­kur­renz stand zu hal­ten. Seit­dem die Par­tei an der Macht ist, ver­zeich­net sie in den Umfra­gen sogar wie­der einen Aufwärtstrend.

Streit inner­halb des PSOE
Wenn es beim ursprüng­li­chen Kon­flikt inner­halb der Sozia­lis­ten zuerst noch um die bei­den poli­ti­schen Stra­te­gien gegan­gen ist, so tra­ten die­se mit anhal­ten­der Dau­er der poli­ti­schen Blo­cka­de in Spa­ni­en zuse­hends in den Hin­ter­grund. Der Kampf um die Kon­trol­le in der Par­tei ent­wi­ckel­te sich zu einer öffent­li­chen Schlamm­schlacht, von der sich die Par­tei nicht so schnell erho­len dürf­te. Die Haupt­kon­tra­hen­ten waren der am Wochen­en­de zurück­ge­tre­te­ne Par­tei­vor­sit­zen­de Pedro San­chez und die Prä­si­den­tin des PSOE in Anda­lu­si­en, Sus­a­na Diaz. Pedro San­chez ver­lor das Ver­trau­en der Mehr­heit der Par­tei­mit­glie­der, wäh­rend Sus­a­na Diaz die Unter­stüt­zung von sechs der sie­ben mäch­ti­gen Regio­nal­prä­si­den­ten und des ers­ten sozia­lis­ti­schen Pre­miers Feli­pe Gon­za­lez genoss.

Lek­to­rat: Sarah Bütikofer

Bild: La Mon­cloa, Sitz des spa­ni­schen Minis­ter­prä­si­den­ten. Quel­le: Wiki­me­dia Commons

Gra­phi­ken: Salim Brüggemann

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