Richtungswahl in Spanien – die Vorhersage mittels Prognosemarkt

Am 26. Juni fin­den in Spa­ni­en erneut Par­la­ments­wah­len statt, weil sich die Par­tei­en nach den Wah­len im Dezem­ber 2015 auf kei­ne Regie­rungs­ko­ali­ti­on eini­gen konn­ten. Wel­che Par­tei kann unter die­sen Umstän­den am Ende doch noch regie­ren? Unser Pro­gno­se­markt gibt Antworten.

Die Spit­zen­kan­di­da­ten aller Par­tei­en haben den Wäh­lern ver­spro­chen, dass Spa­ni­en nach der Wahl vom kom­men­den Sonn­tag wie­der eine Regie­rung haben wird. Doch die gros­se Fra­ge ist, wie eine sol­che aus­se­hen soll. Die Par­tei­en sind nach wie vor zer­strit­ten und kön­nen sich nicht auf ver­bind­li­che Pro­gramm­punk­te einigen.

Spanien steht vor einer Richtungswahl

Die meis­ten Umfra­gen zei­gen, dass auch die erneu­ten Wah­len kei­ne kla­re Mehr­heits­ver­hält­nis­se zu Tage brin­gen wer­den. Die Fra­ge, wel­che die spa­ni­schen Wäh­ler nun beschäf­tigt, ist, wel­che Par­tei­en am Ende doch fähig sein wer­den, sich mit­ein­an­der auf eine Regie­rungs­ko­ali­ti­on zu einigen.

Um eine Pro­gno­se zur Regie­rungs­bil­dung zu erstel­len, füh­re ich an der Uni­ver­si­tät Car­los III von Madrid zusam­men mit Svei­nung Arne­sen von der Uni­ver­si­tät Ber­gen in Nor­we­gen einen Pro­gno­se­markt durch. Die­ser zeigt: Spa­ni­en steht vor einer Rich­tungs­wahl. Es wird zu einem Links­bünd­nis der Sozia­lis­ten mit Pode­mos oder einer bür­ger­li­chen Regie­rung mit dem Par­ti­do Popu­lar und Ciu­da­da­nos kommen.

Aktu­el­le poli­ti­sche Situa­ti­on Spaniens

Die Mehr­heits­ver­hält­nis­se in Spa­ni­en sind äus­serst schwie­rig: Die gröss­te Par­tei, der kon­ser­va­ti­ve Par­ti­do Popu­lar (PP), kam nach den Wah­len im Dezem­ber auf rund 29 Pro­zent der Stim­men (über fünf­zehn Pro­zent weni­ger als bei den vor­an­ge­hen­den Wah­len). Für die Mehr­heit im Par­la­ment braucht die Par­tei dar­um einen Koali­ti­ons­part­ner. Doch von den ande­ren Par­tei­en will nie­mand mit dem PP zusam­men regieren.

Aber auch die Sozia­lis­ten, die nach den letz­ten Wah­len zweit­gröss­te Par­tei mit 22 Pro­zent der Stim­men, kann nicht rich­tig auf Unter­stüt­zung einer ande­ren Par­tei zäh­len. Pode­mos, die lin­ke Pro­test­par­tei, die — mit Bünd­nis­part­nern — auf Anhieb zwan­zig Pro­zent der Stim­men erhielt, war bis­her nicht bereit, die Bedin­gun­gen der Sozia­lis­ten zu akzep­tie­ren. Abge­se­hen davon wäre aber ohne­hin noch eine drit­te Par­tei für die Regie­rungs­ko­ali­ti­on nötig, denn auch zusam­men mit Pode­mos haben die Sozia­lis­ten kei­ne Mehrheit.

Die viert­stärks­te Kraft ist Ciu­da­da­nos, eine Bür­ger­be­we­gung, die in Kata­lo­ni­en gegrün­det wur­de, um den dor­ti­gen Sepa­ra­tis­mus zu bekämp­fen. Die Par­tei kam im Dezem­ber auf knapp 14 Pro­zent der Stim­men und gilt als Mit­te­par­tei. Die Par­tei befür­wor­tet eine gros­se Koali­ti­on mit dem Par­ti­do Popu­lar und den Sozia­lis­ten, auf wel­che sich letz­te­re nicht ein­las­sen wollten.

Der Prognosemarkt

Der von uns durch­ge­führ­te Pro­gno­se­markt funk­tio­niert wie ein tra­di­tio­nel­ler Akti­en­markt. Anstel­le von Unter­neh­mens­ak­ti­en hält man jedoch «Akti­en» von Regie­rungs­ko­ali­tio­nen. Der Schluss­preis einer Aktie wird durch das tat­säch­li­che Ergeb­nis der Regie­rungs­bil­dung bestimmt. Nach­dem eine Regie­rung ver­ei­digt wur­de, erhält jede Aktie den Wert von 100 Punk­ten, wenn das Ereig­nis ein­ge­trof­fen ist, d.h., eine ent­spre­chen­de Regie­rung gebil­det wur­de, und 0 Punk­ten, wenn dies nicht ein­ge­trof­fen ist. Dies führt dazu, dass der Wert der Aktie die Wahr­schein­lich­keit, dass eine Regie­rungs­ko­ali­ti­on zustan­de kommt, wider­spie­gelt. Der Pro­gno­se­markt funk­tio­niert damit ana­log zu den Wahl­bör­sen, wie sie auch in der Schweiz jeweils vor Wah­len durch­ge­führt werden.

Die gut 70 Stu­die­ren­den, wel­che wir für den Pro­gno­se­markt rekru­tiert haben, tip­pen ent­we­der auf eine Links­re­gie­rung der Sozia­lis­ten mit Pode­mos oder auf eine bür­ger­li­che Regie­rung von Par­ti­do Popu­lar und Ciu­da­da­nos. Die Vor­her­sa­gen des Pro­gno­se­mark­tes, wel­che in der Abbil­dung unten live kon­sul­tiert wer­den kön­nen, ver­wei­sen damit auf einen knap­pen Ausgang.

Abbildung 1:
[Bla­zing­Chart charttype=“highcharts” source=“Spain”]
Es wird zu einem Links- oder Rechtsbündnis kommen

Ange­sichts des­sen, dass weder ein Links- noch ein Rechts­bünd­nis eine Par­la­ments­mehr­heit errei­chen dürf­te, wird das Ver­hal­ten der Sozia­lis­ten ent­schei­den. Die Fra­ge ist nun, ob die Sozia­lis­ten bereit sind, eine Min­der­heits­re­gie­rung mit Pode­mos unter Dul­dung von bas­ki­schen und/oder kata­la­ni­schen Natio­na­lis­ten ein­zu­ge­hen oder ob sie den Weg in die Oppo­si­ti­on wäh­len und ein Bünd­nis zwi­schen dem Par­ti­do Popu­lar und Ciu­da­da­nos tolerieren.

Für nur wenig wahr­schein­lich hal­ten die Stu­die­ren­den inter­es­san­ter­wei­se eine Min­der­heits­re­gie­rung des Par­ti­do Popu­lar oder ein Bünd­nis zwi­schen Sozia­lis­ten und Ciu­da­da­nos. Damit wird deut­lich, dass es sich in Spa­ni­en um eine Rich­tungs­wahl zwi­schen einem Links- und einem Rechts­bünd­nis handelt.


Titel­bild: Die vier Par­tei­vor­sit­zen­den Maria­no Rajoy, Pedro Sán­chez, Pablo Igle­si­as und Albert Rive­ra. Col­la­ge: DeFacto. 

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